«Mich interessieren die Beine - nicht die Schuhe!»

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Bern,

Brett Sutton (60) kann als erfolgreichster Triathlon-Trainer aller Zeiten betrachtet werden. Vorab bei den Frauen sind seine Erfolge seit Jahren unvergleichbar.

Brett Sutton (rechts) vor dem Silbermedaillen-Gewinn von Nicola Spirig bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro
Brett Sutton (rechts) vor dem Silbermedaillen-Gewinn von Nicola Spirig bei Olympia 2016 in Rio de Janeiro - sda - KEYSTONE/PETER KLAUNZER

Das Wichtigste in Kürze

  • Dies vor allem auch dank Nicola Spirig und Daniel Ryf.

Spirig ist Rekord-Europameisterin über die olympische Distanz und die einzige zweifache Olympia-Medaillengewinnerin im Triathlon bei den Frauen.

Ryf ist die erfolgreichste Mittel- und Langdistanz-Triathletin der Gegenwart und kann in der Nacht auf Sonntag auf Hawaii zum fünften Mal und in Folge Ironman-Weltmeisterin werden. Obwohl Sutton nicht Schweizer Nationaltrainer ist, trainiert der Australier auch weitere namhafte und aufstrebende Schweizer Triathleten wie Andrea Salvisberg, Max Studer oder Julie Derron.

Der frühere Profiboxer Sutton bezeichnet seine Methodik zwar als «orthodox», gilt aber als unbeirrbarer Instinkt-Coach, der seine Athleten bestens «lesen» und mit massgeschneiderten Trainingsreizen zum Optimum führen kann.

Er erkennt, wem zu welchem Zeitpunkt wie viel zuzumuten ist. Sein Gespür für den Menschen hinter dem Athleten basiert aus einem umfangreichen Erfahrungsschatz. Sutton trainierte schon Hunde und Pferde, später Elite-Schwimmer und Boxer.

Vor der Ironman-WM auf Hawaii führte Keystone-SDA ein Interview mit Sutton, der seit einigen Jahren in St. Moritz einen Trainingsstützpunkt betreibt.

Welche Profi-Frauen, die von Ihnen trainiert werden, starten in diesem Jahr an der Ironman-WM auf Hawaii?

Brett Sutton: «Daniela Ryf, Caroline Steffen und die Dänin Camilla Pedersen (befand sich 2013 nach einem Velounfall im Koma - Red.) haben eine gute Saison geliefert. Hinzu kommt Nina Derron, die ebenfalls in der Trainingsgruppe um Ryf ist, aber deren Haupttrainerin Susie Langley ist. Ich spiele da mehr eine Berater-Funktion für Susie und Nina. Ryf hat sich seit ihrem Sieg in Nizza (an der 70.3-Ironman-WM - Red.) in Sachen Fitness nochmals gesteigert. Caroline ist auch mit 41 noch sehr konstant. Und Nina hat mit der Qualifikation für Hawaii bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ihrer Karriere zusammen mit ihrer Trainerin Besonderes geleistet.»

Sie haben nach dem fünften Triumph von Daniela Ryf in Nizza vor einem Monat darauf hingewiesen, dass Ryf ihren Triumph in Südfrankreich ohne zurückgefahrenes Training erzielt hätte. Sie startete nicht ausgeruht, weil sie ihren Form-Höhepunkt auf die fünf Wochen danach stattfindende Ironman-WM in Hawaii ausrichtet?

«Das ist richtig. Daniela trainierte die letzten zehn Tage vor Nizza härter als vor jedem anderen Rennen, das sie in diesem Jahr bestritt. Der Zeitpunkt der Ironman-WM fünf Wochen später macht es sehr schwer, für beide Rennen gleichzeitig die optimalen Trainingsreize zu setzen. Wir entschieden uns einfach, Kona zu priorisieren.»

Zwei von drei Frauen auf dem Siegerpodest in Nizza trugen die Laufschuhe einer grossen Sportartikel-Marke. Diese «Marathon-Weltrekordprojektschuhe» liefern laut Studien einen Leistungsgewinn von vier Prozent. Daniela Ryf läuft sie trotzdem nicht...

«Mich interessieren die Beine - nicht die Schuhe! Ich bin nicht an den Schuhen interessiert, die jemand trägt, sondern an den Beinen, die für das Laufen zu trainieren sind. Mehr kommentiere ich diese Schuhe nicht.»

Wie lange wird Daniela Ryf dem Langdistanz-Triathlon auf Weltspitzen-Level noch erhalten bleiben?

«Die letzten zwei Jahren haben wir versucht, ihre Karriere beziehungsweise ihren Wettkampf-Plan so zu gestalten, dass der Sport für Daniela auch längerfristig interessant bleiben kann.»

Die Schweizer Kurzdistanz-Triathleten befinden sich derweil mitten im Kampf um Olympia-Tickets für Tokio 2020. Sie deuteten zuletzt an, dass nach Nicola Spirigs Rücktritt eine «Wüste» folgen wird, die Schweiz auf das Level eines Entwicklung-Landes zurückfallen wird. Steht es wirklich so schlimm um den Schweizer Triathlon?

«Die Schweiz konnte sich glücklich schätzen, mit Nicola die beste olympische Triathletin aller Zeiten in den eigenen Reihen zu haben. Auch Daniela war auf dieser Distanz Weltklasse, war unter anderem ja Olympia-Siebte 2008. Dasselbe traf auf die Männer zu, bei denen die Schweiz mit Reto Hug und Sven Riederer zwei absolute Spitzenleute verfügte. Hug und Riederer haben bislang leistungsmässig von den zwei nachfolgenden Generationen nicht ersetzt werden können. Julie Derron, als Nicolas Lehrling in unserem Team, hat in diesem Jahr immerhin schon aussergewöhnliche Fortschritte gemacht.»

Im Kampf um die Olympia-Tickets kann die diesjährige Sprint-Europameisterin Julie Derron gar Jolanda Annen den zweiten Frauen-Startplatz für Tokio streitig machen können, falls die Schweiz zwei Startplätze pro Geschlecht schafft. Wie beurteilen Sie dieses Duell?

«Annen und Julie Derron sollten man nicht vergleichen und gegeneinander ausspielen. Julie ist eine junge, entwicklungsfähige Athletin. Es ist nicht gut, sie unter Druck zu setzen. Es soll ihr Zeit zur Entwicklung gewährt werden - in ihrer eigenen Geschwindigkeit. Sie kehrt nach dieser guten Saison an die Uni zurück. Und es ist besser, Julie konzentriert sich darauf, sich zu verbessern. Die Entwicklungskurve würde abflachen, wenn sie mit dem Gedanken trainiert, dass sie nach Tokio gehen könnte.»

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