Petkovic denkt an Karriereende - Ohne Druck in den Endspurt
Als einzige der deutschen Tennis-Damen steht Andrea Petkovic bei den French Open in der dritten Runde. Nun kämpft sie um ihren grössten Erfolg seit fünf Jahren. Und macht sich Gedanken über das Danach.
Das Wichtigste in Kürze
- Es ist sehr lange her, dass Andrea Petkovic bei einem grossen Turnier länger dabei war als ihre Weggefährtinnen Angelique Kerber und Julia Görges.
Vor fünf Jahren stand Petkovic im Halbfinale der French Open - seitdem aber kam sie in Melbourne, Paris, Wimbledon oder New York nicht über die Rolle der Rundenzählerin hinaus. In den gnadenlosen Statistikbüchern der Damen-Tennis-Organisation WTA finden sich unter ihrem Namen in schöner Reihenfolge die Kombinationen 1R-2R-3R-2R und so fort, um das Abschneiden der früheren Top-Ten-Spielerin bei den vier Grand-Slam-Turnieren zu dokumentieren.
Die beiden Spitzenspielerinnen sind diesmal schon zum Auftakt gescheitert, so dass Petkovic als einzige der ansonsten deprimierenden deutschen Damen um den Einzug in das Achtelfinale kämpfen darf. Am Samstag trifft sie bei den French Open auf die an Nummer acht gesetzte Australierin Ashleigh Barty.
«Ich traue mir das zu, heute habe ich in den wichtigen Momenten mentale Stärke gezeigt», sagte Petkovic nach ihrem krimitauglichen 4:6, 6:3, 8:6 gegen die an Position 25 der Setzliste eingestufte Hsieh Su-Wei aus Taiwan. «Mir ist schon bewusst, dass Barty eine der besten Spielerinnen ist in diesem Jahr. Aber ich muss an mich glauben, sonst muss ich gar nicht auf den Platz gehen.»
Mentale Stärke, der Glaube an sich - und eine lange nicht erlebte Gelassenheit: Man muss kein Hobby-Psychologe sein, um Gründe dafür zu finden, dass Petkovic die Wimbledon-Halbfinalistinnen Kerber (31) und Görges (30) in diesen Tagen aus den Schlagzeilen drängt.
«Sie stresst sich nicht mehr so sehr, hat aber immer noch den absoluten Siegeswillen. Ich freue mich für sie, dass sie für ihre konstante und harte Arbeit belohnt worden ist», sagte die langjährige Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner, die in Paris als Expertin für Eurosport arbeitet, am Freitag der Deutschen Presse-Agentur und lobte: «Sie hat mit Wille, Herz, Leidenschaft und Kampf gewonnen.»
Petkovic selbst sieht noch einen anderen Grund für ihr aktuelles Hochgefühl. «Was mir auf jeden Fall ganz viel Entspannung gibt, ist, dass das Ende naht», sagte sie. Und schob natürlich sofort präzisierend nach: «Nicht, weil ich jetzt sofort aufhören möchte. Mir macht es mehr Spass als jemals zuvor, aber ich habe nicht mehr diesen Druck.» Dieses und nächstes Jahr will Petkovic noch spielen, wenn sie gesund bleibt. «Und dann werde ich mir meine Gedanken machen.»
Im Gegensatz zu vielen anderen Profis schwirren der im bosnischen Tuzla geborenen Petkovic so viele Ideen und Gedanken durch den Kopf für die Zeit nach der Karriere, dass sie nicht Gefahr läuft, sich zu langweilen oder in das so oft zitierte «Loch» zu fallen.
Nach Informationen der «Süddeutschen Zeitung» ist sie als Sportmoderatorin für das ZDF im Gespräch. «Es ist noch nichts unterschrieben, aber ich hatte schon ein Casting und wir sind in Gesprächen und Verhandlungen», sagte Petkovic in Paris der «SZ». Geplant sei, dass sie möglicherweise schon in diesem Jahr am Sonntagnachmittag vor der Kamera stehen soll. ZDF-Sportchef Thomas Fuhrmann sagte der «SZ»: «Andrea Petkovic ist ein Talent vor der Kamera. Wir sind in guten Gesprächen. Entschieden ist noch nichts.»
Schon jetzt schreibt sie an einem Buch, das im Herbst 2020 erscheinen soll. Im vergangenen Jahr zog sie sich für ein paar Wochen nach New York zurück, um daran zu arbeiten. Petkovic hat Kolumnen im Magazin der «Süddeutschen Zeitung» veröffentlicht mit der hübschen Überschrift «30-Love». Für die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» verfasste sie zuletzt Artikel zum Abschied von Basketball-Legende Dirk Nowitzki und über Serena Williams.
Petkovic ist so vielseitig interessiert an Literatur, Musik, Kunst, Politik und gesellschaftlichen Themen, dass zu ihren Pressekonferenzen auch gerne ausländische Reporter kommen und die bizarrsten und abseitigsten Fragen stellen. Langweilig wird es nie, ein wenig anstrengend und ausschweifend bisweilen aber schon.
Zum Dank gibt es dann jedoch auch Sätze wie jene nach der Partie gegen Su-Wei, als Petkovic sagte, sie habe sich so gefreut, «Teil dieses Matches gewesen zu sein» oder dass sie gezeigt habe, «dass ich auch unter grossem Druck und fünfmal mit dem Rücken gegen die Wand noch ein paar Schlenkerchen in mir habe». Oder besonders schön: «Irgendwann habe ich gedacht, ich bin Roger und bin ans Netz gerannt wie ein Ochse. Ich weiss nicht, welcher Teufel mich da geritten hat.»
Im Oktober 2011 war Petkovic die Nummer neun der Welt. In diese Regionen wird sie nicht mehr zurückkehren. Aber ein paar Schlenkerchen und teuflische Momente möchte sie gerne noch erleben.