«Super-Poga» als Sieger am Ziel - «Fühlt sich verrückt an»

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Frankreich,

Als zweitjüngster Tour-Gewinner hat Tadej Pogacar Radsport-Geschichte geschrieben. In Erinnerung bleibt ein grosses Duell mit einer wundersamen Wendung und einem tragischen Zweiten Primoz Roglic. Die deutsche Fraktion spielt bei der slowenischen Party eine Nebenrolle.

Der Slowene Tadej Pogacar vom UAE Team Emirates feiert im gelben Trikot des Gesamtführenden seinen Sieg bei der Tour de France 2020. Foto: David Stockman/BELGA/dpa
Der Slowene Tadej Pogacar vom UAE Team Emirates feiert im gelben Trikot des Gesamtführenden seinen Sieg bei der Tour de France 2020. Foto: David Stockman/BELGA/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Als Tadej Pogacar im Schatten des mächtigen Arc de Triomphe auf das grosse Podium kletterte, war der neue Wunderjunge des Radsports am Ziel seiner Träume angelangt.

«Das ist unglaublich. Es fühlt sich verrückt an. Mir fehlen die Worte. Es war ein besonderer Tag. Dieser Sport ist so beeindruckend», sagte Pogacar, nachdem der slowenische Nationalfeiertag auf den Champs Élysées mit seinem Triumph bei der 107. Tour de France seinen Höhepunkt erreicht hatte.

Das Ambiente auf dem leeren Prachtboulevard war in Zeiten von Corona zwar nicht vergleichbar mit früheren Jahren und auch seine Freundin Urska Zigart durfte der Jungstar gemäss dem strengen Protokoll noch nicht in den Arm nehmen - es sollte ein Schönheitsfehler nach einer völlig verrückten Frankreich-Rundfahrt für den Jungstar bleiben, der sich als zweitjüngster Gesamtsieger in den Geschichtsbüchern verewigte. «Das ist unglaublich, einfach nicht zu begreifen. Es war mein Traum, einmal bei der Tour zu starten. Jetzt habe ich sie gewonnen», sagte Pogacar.

Arm in Arm waren Pogacar und Landsmann Primoz Roglic nach ihrem historischen Duell auf die Tour d'Honneur gegangen. Die Freundschaft hatte nicht gelitten nach einem an Dramatik kaum zu überbietenden Finale. Im Bergzeitfahren hatte Pogacar seinem Landsmann Roglic am Samstag das schon sicher geglaubte Gelbe Trikot noch entrissen. So stand nicht der grosse Favorit, sondern der junge Mann aus Komenda im Alter von nur 21 Jahren und 365 Tagen im Rampenlicht.

Paris war fest in slowenischer Hand nach dem historischen Doppelsieg, viele weiss-blau-rote Fahnen waren zu sehen - trotz der Corona-Beschränkungen im Zielbereich. Auch Staatspräsident Borut Pahor war extra eingeflogen. Schliesslich hatte das kleine Land auf dem Prachtboulevard, wo der Ire Sam Bennett die 21. und letzte Etappe gewann, den grössten Erfolg seiner Sportgeschichte zu feiern.

Möglich machte ihn Pogacar, der jüngste Sieger seit Henri Cornet (19) im Jahre 1904. Die Radsport-Prominenz ist hellauf begeistert von dem neuen Tour-Patron. Für Eddy Merckx ist Pogacar «ein ganz Grosser» und Greg Lemond sprach von der «Geburt eines grossen Champions». Der Amerikaner fühlte sich an seinen Triumph vor 31 Jahren erinnert, als er im abschliessenden Einzelzeitfahren dem Franzosen Laurent Fignon noch das Gelbe Trikot entriss und mit acht Sekunden Vorsprung gewann. «Ich habe vor dem Fernseher geschrien, so wie ich 1989 auf den Champs Élysées bei meinem Sieg geschrien habe», sagte Lemond dem französischen Tour-Organ «L'Equipe».

Einen Rückstand von 57 Sekunden hatte Pogacar bei seiner famosen Triumphfahrt im Bergzeitfahren von La Planche des Belles Filles am Samstag aufgeholt, tags darauf fuhr er mit 59 Sekunden Vorsprung nach Paris. Nur acht Mal ging es in der 107-jährigen Geschichte des Rennens knapper zu. Roglic wird das kaum trösten. «Im Moment kann ich nicht klar denken, ich habe keinen klaren Plan für die Zukunft. Es ist, als wäre mein Kopf leer», sagte der haushohe Favorit, der mit seinem Super-Team Jumbo-Visma zuvor drei Wochen das Geschehen in demoralisierender Weise bestimmt hatte. So enttäuscht sei er lange nicht gewesen, meinte Roglics deutscher Teamkollege Tony Martin.

Der Mann der Rekorde ist Roglics neun Jahre jüngerer Freund. Er holte neben dem Gelben auch das Gepunktete und Grüne Trikot des besten Bergfahrers und Nachwuchsprofis. Drei Trikots waren zuletzt Merckx 1969 geglückt. Dazu stellte er drei Bergrekorde auf, unter anderem pulverisierte er am Col de Peyresourde die Bestzeit eines gewissen Alexander Winokurow. Das wirft Fragen auf, zumal sein Umfeld mit Sportdirektor Andrej Hauptman keinen astreinen Ruf geniesst und in der Blutdopingaffäre viele Spuren nach Slowenien führen, bislang nicht aber zu Pogacar. «Ich habe eine reine Weste», sagte das Leichtgewicht der ARD.

Das slowenische Blatt «Delo» beschreibt Pogacar als «Pantani und Indurain in einer Person». Dieser «Super-Poga» muss sich in Zukunft gegen eine Reihe von Jungstars beweisen. Vorjahressieger Egan Bernal (23) will wieder angreifen. Dazu debütiert der belgische Wunderjunge Remco Evenepoel (20), der in seiner Heimat bereits als neuer Eddy Merckx gefeiert wird. Da passt es ins Bild, dass aus deutscher Sicht auch ein Hochbegabter für die Positiv-Schlagzeilen sorgte.

Lennard Kämna holte in Villard-de-Lans sechs Tage nach seinem 24. Geburtstag den einzigen deutschen Etappensieg. Ein Kindheitstraum sei in Erfüllung gegangen, sagte Kämna, bremste aber zu hohe Erwartungen: «Momentan ist mein Motor nicht bereit für drei Wochen. Ich brauche noch ein paar Jährchen, um die Gesamtwertung anzugreifen.» Stattdessen will Emanuel Buchmann wieder angreifen, nachdem der angeschlagen in die Rundfahrt gegangene Vorjahresvierte diesmal keine Rolle spielte.

Buchmann erreichte mit mehr als zwei Stunden Rückstand die französische Hauptstadt. Dass die Tour überhaupt angesichts der rapide steigenden Infektionszahlen - zuletzt waren es mehr als 13 000 pro Tag - die sogenannte «Rote Zone» Paris erreichte, war ein riesiger Erfolg. Nicht ein Fahrer wurde in den drei Wochen positiv auf Corona getestet, das Konzept der Veranstalter ging voll auf. Dass ausgerechnet Tourchef Christian Prudhomme zwischenzeitlich nach einer Positiv-Kontrolle nach Hause musste, war fast schon eine merkwürdige Pointe.

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