Gute Perspektiven mit Patrick Fischer
Der Schweizer Eishockeyverband tut gut daran, schon in diesem Sommer den Vertrag mit Nationalcoach Patrick Fischer vorzeitig zu verlängern.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit 99 Prozent des Körpers stand die Schweiz an der WM in der Slowakei im Halbfinal.
Dann kam etwas dazwischen. Das sagte Nationalcoach Patrick Fischer - und er untertrieb sogar noch. Am Freitag flogen die Schweizer aber schon vor den Halbfinals in die Schweiz zurück - in die Sommerferien.
Zwei Wochen lang hatten die Schweizer Schritt um Schritt und Spiel für Spiel genommen. Getreu dieser Marschrichtung gilt nun: Nach der WM ist vor der Heim-WM in Zürich und Lausanne. Und womöglich ist dieses bittere, schmerzhafte, dramatische WM-Ausscheiden in Kosice, eingeleitet durch einen kanadischen Ausgleichstreffer vier Zehntelsekunden vor Schluss, als die Schweizer längst zum grossen Jubel angesetzt hatten, das Beste, was der Schweiz vor der Heim-WM passieren konnte.
Die Schweizer werden in einem Jahr in Zürich und Lausanne noch erfolgshungriger sein. Sie wissen, dass sie mit den besten Nationalteams der Welt auf Augenhöhe mitspielen können. Sie werden ein Jahr älter und erfahrener sein. Und die frenetische Unterstützung des Heimpublikums wird dafür sorgen, dass Spiele, die in der Slowakei knapp verloren gegangen sind, ein besseres Ende nehmen. «Let's make History» (Lasst und Geschichte schreiben).
Klar ist: Die Schweiz befindet sich auf dem richtigen Weg. Wer das Haar in der Suppe sucht, weil letztlich wie zuletzt an der WM 2016 in Moskau alle Spiele gegen die Grossen verloren gegangen sind, der sucht Polemik. Die Schweiz spielte mit den Schweden (3:4), Tschechen (4:5) und Kanada (2:3 n.V.) auf Augenhöhe, und selbst im Spiel gegen Russland (0:3) gab es Phasen, in denen die Schweizer das Star-Ensemble der Sbornaja zurück drängten.
Gegen Tschechien ging die Schweiz nur leer aus, weil Fischer mehr wollte als einen Punkt und beim Stand von 4:4 den Goalie für einen zusätzlichen Stürmer vom Eis nahm. Und gegen Kanada fehlten vier Zehntelsekunden zum Halbfinaleinzug. In 0,4 Sekunden schafft man kaum einen Schritt. Hätten die Schiedsrichter die Partie nur einmal einen Augenblick später unterbrochen, beispielsweise nach einem Icing oder einer Parade, die Schweizer würden jetzt heroisch gefeiert. Die WM in der Slowakei lieferte keinen Rückschritt, sondern eine weitere Annäherung an die Top 6 der Welt.
Die Perspektiven der Schweizer Nationalmannschaft sind ausgezeichnet, obwohl Nationalmannschafts-Direktor Raeto Raffainer den Verband verlässt und durch den ehemaligen Spitzen-Goalie Lars Weibel ersetzt wird. Das Nationalteam ist beim Publikum «in», vor allem wegen der «Swissness», auf der Raffainer vor dreieinhalb Jahren trotz Kritik bestanden hat. In Bratislava spielten 16 Silberhelden von Kopenhagen wieder mit. Das Team bleibt beisammen. Keiner erklärte nach dem Drama von Kosice den Rücktritt, selbst der 35-jährige Andres Ambühl ist heiss darauf, es in einem Jahr nochmals zu versuchen.
Die Abhängigkeit von Spielern, die in der NHL Millionen verdienen, ist ebenfalls kein Problem mehr. Weil die WM neu erst in der zweiten Mai-Woche beginnt, wenn in der NHL schon zwei Playoff-Runden gespielt sind und nur noch 4 von 31 Teams um den Stanley Cup spielen, wird das Gros der NHL-Legionäre auch künftig verfügbar sein. Dass die allermeisten um jeden Preis in der Nationalmannschaft spielen wollen, kam in diesem Frühling gut zum Ausdruck. Sven Andrighetto und Kevin Fiala stiessen sogar zum Team, obwohl sie im Sommer neue NHL-Verträge aushandeln müssen.
Einen neuen Vertrag braucht demnächst auch Patrick Fischer. Der Schweizer Verband tut gut daran, den Vertrag mit dem Nationalcoach in diesem Sommer vorzeitig bis 2022 und den Winterspielen von Peking, für die sich die Schweiz in der Slowakei definitiv qualifiziert hat, zu verlängern. Vor sechs Jahren - nach dem Silber von Stockholm - hatte der Verband es geschafft, den damaligen Coach und Silber-Schmied Sean Simpson, der bleiben wollte, bei den Verhandlungen derart hinzuhalten und zu verärgern, bis dieser nach den Winterspielen von Sotschi von sich aus auf eine Vertragsverlängerung verzichtete. Daraufhin strudelte die Nationalmannschaft unter dem Kanadier Glen Hanlon in eine Krise, aus der Fischer (seit dem 2. Dezember 2015 im Amt) die «Eisgenossen» wieder herausgeführt hat.
Patrick Fischer ist der Sieger dieser WM. Er verdiente in den letzten dreieinhalb Jahren rund 300'000 Franken pro Saison. Er war jeden Franken seines Gehaltes wert. Er ist auch mehr wert.