SC Bern: Benjamin Baumgartner – vom Schnäppchen zum Star
Benjamin Baumgartner gehört beim wiedererstarkten SC Bern zu den Leistungsträgern. Klappt es schon diese Saison mit dem Meistertitel? «Das wäre sehr geil.»
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Das Wichtigste in Kürze
- 2022 wechselte Benjamin Baumgartner von Lausanne zum SC Bern.
- Im ersten SCB-Jahr war er mit einem Lohn von knapp 200'000 Franken ein Schnäppchen.
- Derzeit blüht Baumgartner so richtig auf und gehört in Bern zu den Leistungsträgern.
Wer die Geschichte von Benjamin Baumgartner verstehen will, ist gut beraten, in der tiefen Vergangenheit anzufangen. Baumgartner wächst in Zell am See auf, einem österreichischen Wintersportort mit knapp 10'000 Einwohnern.
Der Vater ist eigentlich Informatiker, aber im Winter verdient er sich als Skilehrer etwas dazu. Benjamin tritt dem Skiklub bei und fährt Rennen. Aber so richtig mag er sich nicht für die Abfahrten zu begeistern.
Später wird er sagen, es habe ihn gestört und gelangweilt, dass man da als Einzelsportler unterwegs sei. Und auch sonst will er sein Leben anders gestalten als der Vater, obwohl er diesen sehr schätzt: Als er sieht, wie viel Zeit dieser als IT-Fachmann vor dem Computer verbringt, sagt er sich: Nein, danke, das möchte ich nicht.
Es reift der Traum, Profisportler zu werden. Die Wahl fällt schnell aufs Eishockey. Das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Garderobe zieht ihn an.
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Die erste Mannschaft des EK Zell am See wird damals von Richard «Richi» Novak gecoacht, einem Klotener, der in verschiedensten Schweizer Klubs im Nachwuchs gearbeitet hat und heute den Zürcher Erstligisten EHC Wallisellen betreut.
Novak nimmt den jungen Baumgartner unter seine Fittiche und als er 2013/14 in der Juniorenabteilung des ZSC arbeitet, schliesst Baumgartner sich den Zürchern an. 13 ist er da und dem Eishockey wegen bereits nach Wien umgezogen, wo er sich mit einem Team in der tschechischen Meisterschaft misst.
Ein in Wien beheimateter Knirps, der für den ZSC spielt? Es ist eine der ungewöhnlicheren Geschichten. Aber Baumgartner flog zusammen mit seinem Vater für die Spiele jeweils ein, per Linienflug mit der Swiss – der Stürmer erinnert sich daran, dass die Stewardessen jeweils kleine Schokoladen verteilten.
Das Debüt unter Arno Del Curto
Das war nicht günstig, dokumentiert aber, mit welcher Ernsthaftigkeit Baumgartners Karriere schon früh geplant wurde. Im Sommer ermöglichte die Familie dem Sohn jeweils Powerskating-Kurse in Tschechien.
Knapp ein Jahrzehnt später lässt sich festhalten: Die Aufwendungen haben sich gelohnt. Mit 24 gehört Baumgartner zu den aufregendsten Spielern der National League. Und er wird immer besser.
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2023/24 gelangen ihm 31 Skorerpunkte, er gehörte damit zu den 15 produktivsten Angreifern mit Schweizer Pass oder Lizenz. Für den SC Bern ist er nicht weniger als ein Glücksgriff – und eine der wertvollsten Hinterlassenschaften des ehemaligen «Chief Sports Officer» Raeto Raffainer.
Raffainer und Baumgartner hatten sich einst in gemeinsamen Tagen in Davos kennen- und schätzen gelernt.
Dorthin war Baumgartner 2014 gewechselt, und zwar weniger, weil ihn der kleine, tourismusaffine Wintersportort an die Heimat erinnerte. Sondern weil er dort die Perspektive hatte, das Sportgymnasium zu besuchen.
Eigentlich wäre Baumgartner mit seinem teuflischen Speed der perfekte Spieler für das Lauf- und Tempohockey von Arno Del Curto gewesen. Doch die Ära Del Curto in Davos endete kurz nach Baumgartners Profidebüt vom November 2018.
«Im Moment ist die NHL nur im Hinterkopf»
Seinen Weg ist er auch so gegangen. Mit 19 bestritt er für Österreich erstmals eine WM; in der darauffolgenden Saison sorgte er mit 27 Punkten in 37 Partien für Furore.
Er spielte so mitreissend, dass die New Jersey Devils ihn 2020 in der sechsten Runde an 161. Stelle drafteten. Inzwischen liegen die Rechte nicht mehr bei den Devils – Baumgartner könnte sich den Arbeitgeber in Übersee frei aussuchen.
Er sagt: «Wegen Covid konnte ich kein Camp bestreiten, das bedaure ich. Aber im Moment ist die NHL nur im Hinterkopf. Mein Fokus liegt darauf, hier ein dominanter Spieler zu werden. Einer, dem die Trainer in jeder Situation vertrauen.»
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In Davos hatte das noch ganz anders getönt, damals hatte Baumgartner der «Südostschweiz» gesagt, die NHL befinde sich eben genau nicht im Hinterkopf, viel mehr würden seine Gedanken dauernd darum kreisen.
Baumgartner lacht, als er darauf angesprochen wird, und sagt: «Seither ist viel passiert. Man wird reifer. Und eben: Ich habe hier momentan genügend Ziele.»
Ein Jahr zum Vergessen in Lausanne
«Hier», das ist seit 2022 Bern. Ein Jahr zuvor hatte er sich mit einem Fünfjahreskontrakt dem Lausanne HC angeschlossen – wie viele andere Akteure auch konnte er einer sehr lukrativen Offerte von Petr Svoboda nicht widerstehen.
Doch Baumgartner fand sich beim LHC nie wohl, er haderte mit der Sprachbarriere, seiner Rolle und den berüchtigten Meinungsumschwüngen des Managers Svoboda. Irgendwann griff er zum Handy und meldete sich bei seinem alten Vertrauten Raffainer.
Nach langwierigen Verhandlungen schloss er sich dem SCB an, wo er mit dem Coach Johan Lundskog und dem Athletiktrainer Steven Lingenhag auf weitere Bekannte aus HCD-Zeiten traf. Um den schnellen Abschied aus Lausanne zu erreichen, verzichtete Baumgartner auf nicht wenig Geld.
Er sagt: «Lausanne war für mich ein hartes Jahr, auch mental. Ich bin jung, will viel spielen und mich weiterentwickeln. Da ist der finanzielle Aspekt sekundär.»
Für den SCB war er im ersten Jahr mit einem Salär von knapp 200'000 Franken ein Schnäppchen. Die Differenz zahlte Lausanne.
Inzwischen hat er seinen Vertrag bis 2026 verlängert, er gehört zum Kern einer wiedererstarkten SCB-Equipe.
«In den Jahren, seit ich hier bin, haben wir als Klub kontinuierlich Fortschritte gemacht. Die Trainings sind besser geworden und der Zusammenhalt in der Garderobe ist einmalig. Wir pushen und fordern uns in den Trainings hart. Und können aber auch zusammen lachen. Der Mix ist wirklich top.»
Dem Wohlbefinden zuträglich ist auch das Vertrauen, das Baumgartner vom Trainer Jussi Tapola entgegengebracht wird. In der ersten Saisonhälfte erhielt beim SCB kein Schweizer Stürmer mehr Eiszeit als Baumgartner, der durchschnittlich mehr als 16 Minuten eingesetzt wird und Verantwortung in allen Special Teams übernimmt.
Längst gehört er zu den Führungsspielern dieses Kollektivs, es ist auch sein Verdienst, dass aus dem SCB wieder ein Titelkandidat geworden ist. Ob der SCB schon in dieser Saison reif ist für den ganz grossen Coup?
«Das wäre sehr geil», sagt Baumgartner. Und ergänzt: «Ich weiss nicht, wann es so weit ist. Aber die Organisation befindet sich auf einem so guten Weg, dass ich mir sicher bin, dass es bald geschehen wird.»
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Hinweis: Dieser Artikel von Autor Nicola Berger ist zuerst im Schweizer Hockey-Magazin «SLAPSHOT» erschienen.
Über Benjamin Baumgartner
Geboren: 22. April 2000. Grösse: 176 cm. Gewicht: 77 kg. Vertrag: bis 2026. Stationen: Bis 2021: HC Davos (Nachwuchs, NL). 2021/22: Lausanne HC. Seit 2022: SC Bern. Erfolge: div. persönliche Auszeichnungen.