Aufbruchstimmung im russischen Fussball
Von den Olympischen Spielen 2020 und 2022 wird Russland vielleicht ausgeschlossen. Im Fussball aber herrscht ein halbes Jahr vor der EM Aufbruchstimmung.
Das Wichtigste in Kürze
- In St. Petersburg werden drei Gruppenspiele sowie ein Viertelfinal stattfinden.
- Alexej Sorokin umging auf elegante Weise Fragen zu Korruptionsvorwürfen in der WM.
- Sorokin hob lieber die positiven Seiten der WM hervor.
Die Nächte sind lang im herbstlichen St.Petersburg und die Tage düster. Die Menschen lamentieren über das Wetter, und die langjährigen Statistiken weisen für den November nur einen einzigen Sonnentag aus. Doch das mindert die Attraktivität der Umgebung in keiner Weise.
Es sind aber eher irdische Probleme, die der russischen Nationalmannschaft vor zwei Wochen unter dem verschliessbaren Dach zu schaffen machten – in Form eines 1:4 gegen Belgien.
Russland steht dennoch schon seit geraumer Zeit als Teilnehmer an der EM-Endrunde 2020 fest, und in St. Petersburg finden drei Gruppenspiele sowie ein Viertelfinal statt. Für das Gruppenspiel kommt übrigens Belgien wieder nach St. Petersburg; das steht schon vor der Auslosung am Samstag fest.
Szenenwechsel. Alexej Sorokin, der OK-Chef der WM 2018, spricht im Konferenzsaal des Hotels Astoria zu einem kleinen Kreis von europäischen Journalisten. Der ehemalige Diplomat und Übersetzer kennt die Gesetze des Geschäfts: graues Sakko, helles Hemd, den obersten Knopf lässig geöffnet, umgeht er in der Fragerunde jede Falle sprachgewandt und elegant. Wird ein kritisches Thema angeschnitten, entmachtet er die Dolmetscherin kurzerhand und antwortet selber auf Russisch und Englisch: «Damit mich jeder richtig versteht.»
WM Anschuldigungen als «Fake News» abgestritten
Zu den jüngsten Korruptionsvorwürfen im Zusammenhang mit der WM sagt er: «Es hat weder unerlaubte Einflussnahme noch Geschenke gegeben.» Die Anschuldigungen tut er als «Fake News» ab. Dass die Untersuchungen auch deshalb im Sand verliefen, weil die verwendeten Computerdateien (nach der Zerstörung der Hardware) nicht mehr greifbar waren, ist kein Thema.
Viel lieber spricht Sorokin von der Nachhaltigkeit der WM. Das Beispiel von St. Petersburg gibt ihm Recht. Der neue Flughafen entspricht westlichen Standards, die Passkontrolle verläuft problemlos, und die Schnellstrasse kürzt die Fahrt ins Stadtzentrum auf rund 30 Minuten ab.
Der lokale Klub Zenit spielt im neuen Stadion regelmässig vor 40'000 Zuschauern. Und jetzt kommt dann auch noch die EM. «Alle unsere WM-Stadien werden genutzt.»
Wenn man genauer hinschaut, ist dies allerdings nur die halbe Wahrheit. Zwar wird in den WM-Stadien von Kaliningrad (350 Millionen Euro Baukosten), Saransk (270 Millionen), Nischni Nowgorod (250 Millionen) und Wolgograd (230 Millionen) tatsächlich Fussball gespielt – aber nicht auf höchstem Niveau und vor durchschnittlich 2500 Zuschauern in der 2. Liga. Sorokin freilich bleibt dabei: «Die WM hat keine weissen Elefanten produziert».