Fussball braucht klare Grenzen für politische Botschaften
Türkische Nati-Spieler grüssen per «Salut-Jubel» ihre Armee in Syrien. Wo sind die Grenzen bei Politik im Stadion zu ziehen? Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Die türkische Nationalmannschaft sorgt beim Spiel gegen Albanien für einen Eklat.
- Mit einem «Salut-Jubel» begrüssen sie den militärischen Einsatz gegen Kurden in Syrien.
- Politik im Stadion ist schon längst keine Seltenheit mehr – aber klare Grenzen müssen her.
Sobald es im Profifussball zu politischen Äusserungen kommt, gilt oft der Leitspruch: «Politik gehört nicht ins Stadion». Mit diesem Reflex drücken sich Verantwortungsträger seit Jahren gerne vor längst fälligen Diskussionen. Und vor allem ist dieser Reflex eines: nämlich komplett falsch.
Spätestens seit 1936 und zwei Olympischen Spielen in Hitler-Deutschland sind Sport und Politik nicht mehr zu trennen.
Die Frage, die sich aber stellt: Wo sind die in der heutigen Zeit die Grenzen zu ziehen? Und wann werden diese überschritten?
Verantwortung bei völkerverbindenden Themen
Heutzutage sollen und müssen sich Klubs und Spieler mit ihrer Vorbildfunktion für völkerverbindende Politik einsetzen. Rassismus, Sexismus und Homophobie beispielsweise haben weder in- noch ausserhalb eines Stadions etwas verloren.
Geht es aber um völkertrennende Themen, müssen klare Grenzen gezogen werden. Hier sind aber nicht nur die Vereine gefordert, sondern auch die Verbände – und nicht zuletzt die Gesellschaft.
Von «Stop it Chirac» bis «Take a Knee»...
Politische Aktionen sind im Fussball nicht neu. 1995 protestierte Alain Sutter mit seinen Kollegen der Schweizer Nati gegen die Atom-Tests des kürzlich verstorbenen Jacques Chirac (†86).
Die Aktion gegen den französischen Staatspräsidenten war ein Novum und wurde von der Uefa nicht bestraft. Allerdings sprach der europäische Fussballverband damals ein Verbot gegen Kundgebungen aus, um Nachahmer zu verhindern.
Trotzdem lassen es sich Teams und Spieler nicht nehmen, regelmässig ihre Meinungen öffentlich zu machen. Im Oktober 2017 schloss sich zum Beispiel Hertha Berlin der Protestbewegung aus dem amerikanischen Profisport an. Und knieten vor der Partie nieder, als Zeichen gegen Diskriminierung und Polizeigewalt.
Im gleichen Jahr solidarisierte sich die deutsche Nationalmannschaft mit einer Aktion des dänischen Verbandes. In einem Testspiel lief Julian Draxler als Captain auf und trug dabei eine Binde in Regenbogenfarben. Damit wollte man ein Zeichen gegen Homophobie setzen.
In einem offiziellen Wettbewerbsspiel der Fifa wäre dies indes verboten. Laut Regel vier («Ausrüstung der Spieler») dürfen keine politischen, religiösen oder persönlichen Botschaften zur Schau gestellt werden.
... über «Doppeladler» und alarmierende WM-Vergaben
Alles andere als völkerverbindend verlief die WM 2018. Die Schweizer Nati-Stars Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka feierten ihre Treffer mit dem «Doppeladler».
Damit wollten sie auf serbische Provokationen antworten, wurden dabei sogar von Captain Stephan Lichtsteiner unterstützt. Der Disput schürte Missgunst und Ärger. Und überschattete am Ende sogar die sportlichen Leistungen der Nati.
Dass besagte WM in Russland stattfand, zeugt von fehlendem politischen Gewissen der grossen Verbände. Ebenso wie die Zusage an Katar für das Jahr 2022. Russland durfte das Turnier trotz der Krim-Annexion und offen gelebter Homophobie austragen.
Katar wird Bestechung vorgeworfen, dazu ist die Menschenrechtslage vor Ort zumindest zweifelhaft. Und an diesem Wochenende sorgen die türkischen Nationalspieler mit ihrem Salut an die Soldaten in Nordsyrien für den nächsten Eklat.
Der Verantwortung bewusst sein
Kriege und Konflikte gutzuheissen, hat im Stadion nichts verloren. Und auch sonst nirgends. Darum ist es ein No-Go, wenn deutsche Nationalspieler wie Emre Can oder Ilkay Gündogan einen Post liken, in dem der türkische Kollege Cenk Tosun den «Salut-Jubel» zur Schau stellt.
Sich im Gegensatz dazu als Profi für die Völkerverbindung einzusetzen, ist richtig und wichtig. Seinen grossen Einfluss als Idol und Influencer dazu zu nutzen, sollte viel häufiger beherzigt werden und ist in diesem Zusammenhang unbedenklich. Nicht so bei völkertrennenden Botschaften. Diese Grenze ist klar und sollte nicht überschritten werden.