Gegenwind in Schlangengrube: DFB-Chef Grindel kämpft um Job

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Deutschland,

Reinhard Grindel ist auf der Suche. Der DFB-Präsident braucht Verbündete, um einen möglichen Sturz zu verhindern. Die nun publik gewordenen Zusatzeinnahmen als Aufsichtsratschef geben den Kritikern gute Argumente. Nur an die Öffentlichkeit traut sich noch keiner.

Reinhard Grindel steht wegen zusätzlicher Einkünfte in der Kritik. Foto: Bernd Thissen
Reinhard Grindel steht wegen zusätzlicher Einkünfte in der Kritik. Foto: Bernd Thissen - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Für Fussball-Glamour hat Reinhard Grindel gerade wenig Zeit.

Schon vor dem geplanten Wiedersehen mit seinem Kindheitsidol Uwe Seeler, Franz Beckenbauer und Günter Netzer bei der Gala zur Einweihung der deutschen Fussball-Ruhmeshalle in Dortmund kämpfte der DFB-Präsident in mühseliger Hinterzimmer-Diplomatie um seinen Job. Viele Telefonate führte Grindel, so erzählten es Fussball-Funktionäre aus dem ganzen Land.

Nach den Vorwürfen, dass er Zusatzeinkünfte über 78.000 Euro als Aufsichtsratschef der DFB-Medien Verwaltungs-Gesellschaft in den Jahren 2016 und 2017 nicht publik gemacht habe, muss der 57-Jährige dringend herausfinden, auf wen er künftig überhaupt noch zählen kann.

Heftigen Widerstand gebe es gegen Grindel, wird kolportiert und berichtet. Nur: Öffentlich reden will noch niemand. Auch Grindel nicht. Die Presseabteilung des Verbandes versicherte, dass er bei seinem Amtsantritt korrekte Auskünfte über seine Einkünfte gemacht habe. Den gut dotierten Aufsichtsratsposten trat er drei Monate später an.

Aus DFB-Kreisen heisst es nun in Anerkennung der offenbar prekären Lage ungewöhnlich deutlich: «Das Eis ist dünn.» Eine angeblich geplante ausserordentliche Präsidiumssitzung wurde aber auch weiterhin nicht bestätigt.

Grindels Mantra war bisher die totale Transparenz. Dieses Image hat er mit den Zusatzzahlungen schwer beschädigt. Nach seinem Dauerlauf durch Fettnäpfchen und nach vielen fragwürdigen Entscheidungen vor wie nach dem WM-Desaster im Sommer 2018 wirkt der DFB-Boss kurz vor seinem dreijährigen Amtsjubiläum isoliert.

Im komplizierten deutschen Fussball-Geflecht mit den Interessen der Amateurverbände und der Profi-Vertreter - gern als Schlangengrube bezeichnet - hat der einstige Berufspolitiker keine natürlichen Verbündeten.

Grindel war schon bei seinem Aufstieg vom Verbands-Schatzmeister zum DFB-Boss in den Wirren des WM-2006-Skandals nur ein Kandidat mangels Alternativen. Und in der nun aufkommenden Diskussion um einen freiwilligen oder erzwungenen Amtsverzicht statt Wiederwahl beim DFB-Bundestag am 27. September schwingt weiter die grosse Frage mit: Wer sollte den Job dann machen? Ein Königsmörder ist jedenfalls (noch) nicht in Sicht.

Ligapräsident Reinhard Rauball (72) hat die Altersgrenze von 70 Jahren überschritten, sein Vize Peter Peters (56) glänzte noch nicht durch präsidiales Charisma. Amateur-Boss Rainer Koch (60) gilt als rotes Tuch für die Profi-Clubs. Reflexartig wird wie nach Grindels miserablen Management der Affäre um Mesut Özils Erdogan-Foto schon nach Philipp Lahm gerufen.

Den Weltmeister-Kapitän von 2014 machte Grindel ungewöhnlich schnell zum Ehrenspielführer, der leistete gute Werbedienste für den EM-Zuschlag 2024. Als mittlerweile gut vernetzter Geschäftsmann müsste der Münchner aber wirtschaftlich Abschläge machen. Lahm als DFB-Chef wäre nur vorstellbar, wenn der DFB sich von der Ehrenamtspflicht für den obersten Dienstherren verabschiedet. Ob die Amateure-Fraktion da mitmacht, ist weiter sehr fraglich. Ihr Einfluss würde weiter schwinden.

Interpretiert man die Stimmen aus dem Fussball-Land richtig, kommen die Grindel-Gegner vor allem aus dem Profibereich. Dort ist man genervt von den Managementfehlern und medialen Eigenheiten des DFB-Chefs, der wie jüngst in der Diskussion um die Nationalmannschafts-Ausmusterung von Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng seine Kritik am Kommunikationsstil von Bundestrainer Joachim Löw selbst schnell wieder relativeren musste - kein Einzelfall in der Grindel-Amtszeit.

Ungewöhnlich klaglos nahm Grindel hingegen hin, dass er von DFB-Direktor Oliver Bierhoff erst spät und von Löw noch später über die Demission des Trios unterrichtet wurde. In Verbandskreisen wird erzählt, dass im Nationalmannschaftsorbit gerade der Boss als Sicherheitsrisiko identifiziert worden war, die pikante Info nicht geheimzuhalten, bis Löw die Spieler selbst informiert hatte.

Wie ein Grundsatzurteil schwebt Karl-Heinz Rummenigges Aussage über der Debatte, dass beim DFB die «Amateure das Geschehen komplett übernommen» hätten. Die Krux der Profis: Auch die Deutsche Fussball Liga hat ihre Probleme. Die Nachfolge von Rauball im Sommer ist noch nicht geklärt. Zwischen 1. und 2. Liga gibt es Grabenkämpfe um die Verteilung der TV-Millionen. Womöglich ist Grindel als Zielscheibe sehr willkommen, um von eigenen Schwierigkeiten abzulenken?

Als Faustpfand in der Hinterhand hat Grindel seine mit rund einer halben Million Euro pro Jahr entlohnten Funktionärsämter bei der UEFA bis 2021 und bei der FIFA. Ins Council des Weltverbandes wurde er gerade im Februar für vier weitere Jahre wiedergewählt. Diese Posten sind an seine Person und nicht an sein DFB-Amt gebunden.

Mit einem solchen Splitting hat der Verband schon viel schlechte Erfahrung gemacht: Auch die Grindel-Vorgänger Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger redeten noch lange in der Fussball-Weltpolitik mit, obwohl sie vom DFB längst abgenabelt waren.

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