Bayern heiss auf Aufholjagd - Sorge um verletzten «King»
Nach dem Champions-League-Rekord fiebern die Bayern der Auslosung der ersten K.o.-Runde entgegen. Bergamo wäre ein Glückslos, Real Madrid das Hammerlos. Erstmal aber zählt die Liga. Das nächste Kapitel einer Leidensgeschichte wirft einen «Schatten» - trotz leichter Entwarnung.
Das Wichtigste in Kürze
- Die nächste Verletzung von Pechvogel Kingsley Coman soll die Münchner Europarekordler nicht von Bundesliga-Bestleistungen abhalten.
Als der französische Turbodribbler abgeschirmt von Ordnern die Allianz Arena nach dem 3:1 (2:1) gegen Tottenham Hotspur längst mit einem ramponierten Knie verlassen hatte, riefen die Fussballstars des FC Bayern die «historische» Marke in der Champions League als Signal für eine nationale Trendwende aus.
«Das Entscheidende und Wichtige ist, dass wir es geschafft haben, unsere Chancen zum verdienten Sieg umzumünzen», sagte Trainer Hansi Flick: «Das ist für uns ein Zeichen, dass wir weiter auf dem Weg bleiben wollen.» Ob der 54-Jährige nach einer Gruppenphase der Superlative die Bayern in einem Achtelfinale mit Atalanta Bergamo oder Real Madrid als möglichen Gegnern auch noch anführt, ist offen. Flick ist vorerst nur bis Weihnachten zum Chefcoach befördert.
Seine Zukunft hängt auch von der anvisierten Aufholjagd gegen Bremen (H), Freiburg (A) und Wolfsburg (H) ab, mit der die Münchner die von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge attestierte «Schieflage» in der Bundesliga korrigieren wollen. Verzichten muss der Meister der vergangenen sieben Spielzeiten dabei auf Flügelflitzer Coman. «Das ist ein grosser Schatten, der über dem Spiel liegt», sagte Flick.
Der 23-jährige Coman verletzte sich kurz nach seinem Tor zum 1:0 ohne Gegnereinwirkung. Er erlitt einen Kapseleinriss am linken Knie. Das Gelenk wurde gestaucht. Zudem zerrte er sich die Bizepssehne. Ein Extremschaden wie ein Kreuzbandriss bewahrheitete sich aber nicht.
«Im ersten Moment war ich schon sehr geschockt, als er am Boden lag», sagte Joshua Kimmich. «Ich habe mich erschrocken, als ich in seine Augen geguckt habe.» Ausgerechnet Coman, der schon zweimal wegen schwerer Bandverletzungen am linken Fuss länger pausieren musste - und auch deshalb 2018 nicht mit Frankreich Weltmeister wurde.
«Gerade bei der Historie, die King schon hat», sei jede Verletzung besonders bitter, sagte Kapitän Manuel Neuer. Coman hatte sogar schon einmal darüber gesprochen, bei einer weiteren Operation vielleicht sogar seine Karriere zu beenden. Nach der Diagnose jetzt kann er jedoch auf ein schnelles Comeback im EM-Jahr 2020 hoffen.
Für das ausgedünnte Münchner Ensemble bedeutet der Ausfall aber den nächsten Rückschlag beim Kampf gegen die Liga-Krise. Niklas Süle (Kreuzbandriss) und Frankreichs Weltmeister Lucas Hernández (Sprunggelenk) fehlen bis ins nächste Jahr. In dieser Woche mussten auch die angeschlagenen Corentin Tolisso und David Alaba aussetzen.
Nach dem von Neuer betonten «positiven Signal und positiven Zeichen» gegen ein von José Mourinho aufgestelltes Tottenham-B-Team wollen die dezimierten Bayern nun den jüngsten Torfluch gegen Leverkusen (1:2) und Mönchengladbach (1:2) auch national beenden. «Man versucht, das gute Gefühl mitzunehmen - gerade nach den zwei Niederlagen», sagte der wieder ins defensive Mittelfeld versetzte Kimmich: «Es ist extrem wichtig, dass wir für positive Stimmung sorgen und ein paar Tore machen.» Daran hatte der spielfreudige Philippe Coutinho Anteil, der ebenso wie Coman und Thomas Müller als Torschütze jubelte.
Als erste deutsche Mannschaft überhaupt gelang den Bayern eine Sechs-Siege-Vorrunde. 18 Punkte und 24:5 Tore sind sogar insgesamt der Bestwert. «Das ist historisch für uns», hob Neuer hervor. «Wir wollen nicht nur die Rekorde knacken, wir wollen vor allem die Spiele gewinnen.»
Sechs Teams aus dem Topf der Gruppenzweiten kommen bei der Auslosung am Montag (12.00 Uhr) als Gegner infrage: Neben Bergamo und Real noch Atlético Madrid, der SSC Neapel, der FC Chelsea und Olympique Lyon. «So wie es kommt, kommt's. Fertig. Aus», sagte Flick sehr gelassen.
«Wenn wir da in einer normalen Verfassung sind, gehen wir als Favorit ins Spiel», sagte Kimmich selbstbewusst. Die Bayern sind sicher für keinen ein Wunschgegner. «Wir haben in allen Spielen sehr konstant und sehr konzentriert agiert. Das war wichtig für uns, dass wir in Europa wieder richtig ernst genommen werden», sagte Neuer.
Es spricht einiges dafür, dass Kovac-Nachfolger Flick auch bei der K.o.-Runde im Februar und März noch die sportliche Verantwortung trägt. Rummenigge schloss vor dem Anpfiff «nicht aus, dass wir bis zum Sommer mit ihm weitermachen». Und bei den Stars steht der Coach ohnehin weiter hoch im Kurs, wie Thiago verriet: «Hansi ist ein super Typ, sehr nett - und auch ein unglaublicher Trainer.»