Dominique Aegerter: «Mit der MotoE hab ich noch eine Rechnung offen»
Den Titel im MotoE-Weltcup verpasste Dominique Aegerter (31) denkbar knapp. Trotzdem hat der Berner immer noch beste Chancen, dieses Jahr Weltmeister zu werden.
Das Wichtigste in Kürze
- Am Wochenende kämpft Dominique Aegerter beim Argentinien-GP um den Supersport-WM-Titel.
- Der Berner liegt vier Rennen vor Schluss in der WM souverän in Führung.
- Die Enttäuschung vom MotoE-Finale ist zusätzlich ein Ansporn für 2022.
Eine kontroverse Kollision mit seinem Meisterschaftsrivalen Jordi Torres kostete Dominique Aegerter beim MotoE-Finale in Misano den Titel. Drei Wochen später hat der 31-Jährige den Frust aber in den Hintergrund geschoben.
Und das mit gutem Grund – denn der Schweizer kämpft in dieser Saison noch einmal um einen WM-Titel. In der Supersport-Weltmeisterschaft liegt Aegerter souverän in Führung. Schon am Wochenende in Argentinien könnte der Berner Weltmeister werden.
Nau.ch: Dominique, in der Supersport-WM sind die Chancen auf den WM-Titel gut. Fährst Du jetzt schon mit der Tabelle im Kopf?
Dominique Aegerter: Ja, mit 54 Punkten Vorsprung sieht es sehr gut aus. Klar weiss ich, wenn ich jetzt zweimal vor ihm ins Ziel komme, dann bin ich Weltmeister. Aber für mich ist klar, ich gehe jedes Training gleich an wie am Anfang des Jahres.
Das ist das Wichtigste – den Fokus behalten, konzentriert fahren und mit dem Team gut zusammenarbeiten. Dann wissen wir, dass wir um die Podestplätze kämpfen können.
Keine Angst vor Spielchen der Konkurrenz
Nau.ch: Nach Portimao hast Du Dich über die Taktik-Spielchen Deines WM-Rivalen Steven Odendaal geärgert. Erwartest Du bei den kommenden Rennen ähnliche Schwierigkeiten?
Dominique Aegerter: In Portimao hat er ganz klar versucht, die Gruppe langsamer zu machen – er wollte, dass wir miteinander fighten. Aber das ist ganz normal, ich würde das in seiner Position vielleicht auch so machen.
Ich bleibe einfach konzentriert. Das Ziel wäre, ein Rennen zu machen wie in Jerez oder in Assen. Wo ich vorne wegfahre und mich keiner einholen kann. Aber die Strecke in Argentinien kenne ich nicht, da wird es nicht so einfach sein.
Nau.ch: In Deiner ersten Supersport-Saison stehst Du nach 17 Läufen bei zehn Siegen und 13 Podestplätzen. Hättest Du das vor Deinem Wechsel ins Superbike-Paddock erwartet?
Dominique Aegerter: Ich habe schon gedacht, dass ich um Top-5 oder um Podestplätze fahren kann. Aber dass ich zehn Siege hole, habe ich nie gedacht. Ich habe 150 Runden angeführt. Und es hat auch zwei, drei Strecken gegeben, die ich zuerst lernen musste.
Auch das Team musste das Motorrad zuerst kennenlernen. Es hat alles gepasst, ich konnte mein Können und mein Talent auf die Strecke bringen. Alles drumherum – Familie, Manager, Trainer, Team, Sponsoren – hat zusammengehalten, ich konnte mich voll fokussieren.
«Die Strafe gab es, damit ich nicht Meister werde»
Nau.ch: Natürlich können wir das MotoE-Finale nicht aussen vor lassen: Wie gross ist der Frust im Rückblick noch? Und hat vielleicht, wie in den sozialen Medien spekuliert, die Nationalität eine Rolle gespielt?
Dominique Aegerter: Der Frust ist noch da, weil ich fast jeden Tag darauf angesprochen werde. In den Medien ist natürlich viel gesagt worden. Die Nationalität spielt manchmal eine Rolle, so viel ist klar. Ob es in dem Moment eine Rolle gespielt hat, kann ich nicht sagen.
Aber auch bei uns im Motorradsport spielt die Nationalität an vielen Orten eine grosse Rolle. Die 38 Sekunden haben sie mir gegeben, damit ich nicht Meister werde. Das haben sie auch ganz klar gesagt. Bei einem anderen Rennen wäre es keine so grosse Strafe gewesen.
Nau.ch: Wie klappt es mit dem Umstieg von der schweren MotoE-Maschine auf die agileren Supersport-Bikes? Wie lange dauert es da, sich umzustellen?
Dominique Aegerter: Das Umstellen geht für mich schnell, ich musste das dieses Jahr ein paar Mal machen. Der Umstieg auf die Supersport-Maschine ist mir sicher viel leichter gefallen. Die MotoE-Maschine ist immer noch ein fremdes Fahrzeug, auch nach zwei Jahren.
Das fährt sich einfach komplett anders mit diesen 270 Kilogramm. Die Linie ist nicht komplett anders, aber das Fahrverhalten mit dem Elektromotor ist ganz speziell. Da hat man das Motorrad nicht so schön am Gas. Auch Bremsen und Reifen machen einen Unterschied.
Dominique Aegerter will MotoE-Revanche
Nau.ch: Es geht auf das Saisonende zu – da geht der Blick zwangsläufig auch auf die nächste Saison. Geht es mit Ten Kate in der Supersport-WM weiter? Und ist ein Doppelprogramm mit der MotoE wieder denkbar?
Dominique Aegerter: Wir sind am Verhandeln über das nächste Jahr. Es sieht danach aus, dass ich mit Ten Kate in der Supersport-WM weiterfahre, aber es ist noch nichts unterschrieben. Das wird sehr wahrscheinlich Priorität haben.
Und mit der MotoE habe ich noch eine Rechnung offen, da möchte ich noch einmal angreifen. Es kann also sein, dass es noch einmal Doppelrennen gibt. Aber die Priorität wird sehr wahrscheinlich bei der Supersport-WM liegen.
Dazu möchte ich auch sagen: Ich bin sehr enttäuscht von verschiedenen Teams, da spielt vielleicht die Nationalität auch eine Rolle in Supersport und Superbike. Mit 31 bin ich zwar schon ein älterer Bursche.
Aber nach zehn Siegen habe ich damit gerechnet, irgendwo einen Platz in der Superbike-WM zu bekommen. Hier ist nicht mal ein Angebot gekommen. Ich habe mit zwei Teams geredet, Honda und BMW, aber dort war ich immer zweite Wahl. Das war sehr enttäuschend.