NFL – Milliardengeschäft Fantasy Football: So wird jeder zum Manager
Fantasy Football wird immer grösser, umsatzreicher und beliebter. Das Phänomen aus der US-Liga NFL ist nicht unproblematisch.
Das Wichtigste in Kürze
- Fantasy Football ist ein Spiel, bei dem Fans selbst zum General Manager werden.
- Die Fantasy-Szene ist mehr wert als das durchschnittliche NFL-Team.
- Experten äussern Bedenken über die diskrete Glücksspielverherrlichung.
Fantasy Football ist eigentlich ganz einfach: Mit wenigen Klicks kann jeder zum General Manager seines eigenen kleinen NFL-Teams werden.
Ob Christian McCaffrey gepaart mit Davante Adams oder doch lieber Derrick Henry und Tyreek Hill: Auf Plattformen wie NFL-Fantasy, ESPN-Fantasy-Manager oder FanDuel stellen Fantasy-Nutzer ihre eigene virtuelle Mannschaft aus Spielern sämtlicher 32 NFL-Teams zusammen. Ein Überblick zu einem Spiel mit Kultstatus.
So funktioniert’s
In Fantasy-Ligen treten die Teilnehmer mit ihren fiktiven Teams in wöchentlichen Eins-gegen-eins-Duellen gegeneinander an. Jenes Team, das am Ende eines Spieltages mehr Punkte gesammelt hat, gewinnt.
Dabei werden die Punkte gemäss den realen Leistungen der Spieler aus der NFL berechnet und addiert. Beispielsweise ist ein geworfener Touchdown eines Spielers im Fantasy Football vier Punkte wert, ein erlaufener oder gefangener gar sechs. Bei einer Interception oder einem Fumble werden einem Spieler zwei Fantasy-Punkte abgezogen.
In dieser Saison hält Dolphins-Running-Back Devon Achane den Rekord für die meisten Fantasy-Punkte in einem Spiel: Beim 70-zu-20-Sieg gegen die Denver Broncos räumte er Fantasy-Besitzern mit seinen 204 Rushing Yards und vier Touchdowns je nach Spielmodus bis zu 52 Punkte ein.
Ursprung in Oaklander Freundesgruppe
Fantasy Football hat Kultstatus in der amerikanischen Fanszene und ist kaum mehr aus dem Sport wegzudenken. Angefangen hat alles im Oakland der frühen 60er-Jahre. Damals lag Football in Sachen Popularität noch im Schatten von Baseball. Um den Sport attraktiver zu machen, kreierte Raiders-Aktionär Bill Winkenbach mit seinen Freunden 1962 eine fiktive Liga aus Teams mit jeweils 20 echten AFL- und NFL-Spielern.
Er nannte sie «Greater Oakland Professional Pigskin Prognosticators League» – kurz: GOPPPL. GOPPPL-Manager erhielten Symbolwährung für jeden erzielten Score ihrer Spieler: 50 Cent für Rushing-Touchdowns, 25 für jeden Receiving-Touchdown. Wer am Ende der Saison am meisten Kohle angehäuft hatte, wurde zum GOPPPL-Meister gekrönt. Fantasy Football war geboren.
Die Idee verbreitete sich über Oaklander Bars in andere Teile der USA, doch erst die Erfindung des Internets verhalf Fantasy Football zum nationalen Durchbruch.
Ende der 90er-Jahre entstanden Webseiten, die umfassende Spielstatistiken erstmals in Echtzeit bereitstellten. Yahoo brachte 1997 das erste kostenlose Fantasy-Football-Spiel auf den Markt. In den Folgejahren entwickelte sich Winkenbachs Schnapsidee zum Verkaufsschlager.
Milliardenbusiness grösser als Teams in der NFL
Heute spielen rund 60 Millionen Amerikaner regelmässig Fantasy Football. Plattformen wie ESPN, FanDuel oder die NFL machen mit ihren Fantasy-Modi Milliardenumsätze.
Gemäss «statista.com» betrug der Marktwert der Fantasy-Football-Szene im vergangenen Jahr 7,5 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Team in der NFL ist nur etwa 5,1 Milliarden Dollar wert.
Medienhäuser wie ESPN oder CBS Sports beschäftigen dutzende «Experten», die täglich in aufwendig produzierten Shows Prognosen aufstellen, welche Spieler am Wochenende die meisten Fantasy-Punkte einholen werden.
Webseiten wie fantasypros.com bieten gar datenbasierte Fantasy-Assistenten an, die Managern die Zusammenstellung der besten virtuellen Startelf vereinfachen sollen.
Daten zu genauen Spielerzahlen und Marktanteilen in deutschsprachigen Ländern sind noch keine bekannt. Angesichts des steigenden Interesses am American Football ist das Phänomen Fantasy allerdings auch hiesig im Aufschwung. Derweil beschränkt sich Fantasy-Sport längst nicht mehr nur auf American Football.
Auch in anderen Sportarten wie Fussball, Eishockey, Baseball oder Motorsport gibt es zahlreiche Fantasy-Anbieter. Das amerikanische Marktforschungsunternehmen Grand View Research prognostiziert, dass der weltweite Fantasy-Sports-Marktwert bis 2030 von heute knapp 27 Milliarden auf über 50 Milliarden US-Dollar ansteigen soll.
Fantasy als Sprungbrett zum Glückspiel
Grossen Anteil am Fantasy-Football-Hype der vergangenen Jahre haben die amerikanischen Wettanbieter FanDuel und Draftkings. Diese bieten seit einigen Jahren das sogenannte Daily-Fantasy-Sports (DFS) an – im Falle von Draftkings gar in offizieller Partnerschaft mit der NFL.
Anders als beim herkömmlichen Spielmodus, bei dem ein Fantasy-Meister über den Lauf einer Regular-Season ermittelt wird, laufen DFS-Wettkämpfe meist nur über einen Spieltag. In der Regel wird in solchen Ligen eine Teilnahmegebühr als Wetteinsatz verlangt. Diese reichen von 50 Cent bis zu mehreren tausend Dollar – in den teuersten Ligen winken sechsstellige Gewinnsummen.
DFS nutzt dabei eine rechtliche Grauzone aus. In den USA wird Glücksspiel grundsätzlich dadurch definiert, dass Spieler keine Kontrolle über den Ausgang des Glücksspiels ausüben können. DFS wird hingegen nur als Geschicklichkeitsspiel eingestuft und ist damit praktisch überall legal. Lobbyisten konnten in den meisten Staaten die Argumentation durchsetzen, dass bei DFS mittels akribischer Recherche und Fachwissen der Spielausgang stärker beeinflusst werden könne als bei einfachen Sportwetten.
Suchtforscher warnen allerdings vor den Gefahren von Fantasy Football als Sprungbrett zum Glücksspiel. Studien haben gezeigt, dass vor allem die wöchentlichen Belohnungen im Rahmen von DFS-Turnieren zu einem gesteigerten Suchtverhalten führen können.
In Deutschland kann man seit Januar auf DraftKings keine Fantasy-Wetten mehr abschliessen – der Anbieter zog sich überraschend aus dem europäischen Markt zurück. In der Schweiz bietet der staatliche Glücksspiel-Monopolist Swisslos keine Fantasy-Wetten an.
Shitstorm wegen Verletzung
Problematisch wird es auch, wenn Fantasy-Nutzer den Bezug zur Realität verlieren. Der statistikbasierte Aufbau des Spiels hat zur Folge, dass Spieler der NFL für einige Fantasy-Nutzer zu reinen Zahlen verkommen. Immer wieder werden Spieler auf sozialen Medien von desillusionierten Fantasy-Nutzern beschimpft, die mit den Leistungen ihrer Fantasy-Statisten nicht zufrieden sind.
Die Hassmotive begrenzen sich jedoch nicht nur auf unzureichende statistische Leistungen. Als sich der damalige 49ers-Running-Back Raheem Mostert in Woche 1 der Saison 2021/2022 eine Knieverletzung zuzog und für mehrere Wochen ausfiel, wurde er auf sozialen Medien Opfer von Hasstiraden zahlreicher Fantasy-Nutzern, denen seine Verletzung fiktive Spiele – und in vielen Fällen wahrscheinlich echtes Geld – kostete. Mostert reagierte empört: «Zum millionsten Mal: Spielern ist euer Fantasy-Football-Team egal. Das ist unser echtes Leben.»
Es ist eben nur ein Spiel
Das Konzept von Fantasy Football ist ganz einfach: Mit echten Leistungen erzielen echte Spieler der NFL virtuelle Punkte für virtuelle Manager. Das Spiel ist durch seine Simplizität und seinen hohen Immersionsfaktor zum Kultspiel avanciert.
Ganz unproblematisch ist der Spielspass jedoch nicht. In den Staaten loten Daily-Fantasy-Lobbyisten gekonnt die rechtlichen Grenzen zwischen Geschicklichkeits- und Glücksspiel aus.
Gleichzeitig kann man als Fantasy-Managern in all den Zahlen und Statistiken schnell das Bewusstsein dafür verlieren, dass Fantasy-McCaffrey, -Kelce oder -Mostert am Ende echte Menschen sind. Wer sich dessen bewusst bleibt, der erhält mit Fantasy Football spannende Einblicke in die aufregende Welt der NFL.