Sanna Lüdi: «Französische Ärzte bemerkten meine Bänderrisse nicht!»
Nach zwei Knie-OPs und acht Monaten Pause steht Skicrosserin Sanna Lüdi vor dem Comeback. Mit Nau.ch spricht sie über den Weg vom Rollstuhl auf die Piste.
Das Wichtigste in Kürze
- Sanna Lüdi musste sich im Dezember beide Knie operieren lassen.
- Erst im August, acht Monate später, steht sie wieder auf den Ski.
- Im Nau.ch-Interview spricht die Skicrosserin über den Weg zurück.
Nach acht Monaten Pause meldet sich Skicrosserin Sanna Lüdi zurück! Vor wenigen Tagen stand die 34-Jährige zum ersten mal seit ihrer doppelten Knie-Operation wieder auf den Ski.
Im Interview mit Nau.ch erzählt Sanna Lüdi vom Weg aus dem Rollstuhl zurück auf die Ski-Piste. Und warum sie von der Disziplinarkammer für Dopingfälle 2015 ein Jahr gesperrt wurde.
Nau.ch: Sanna Lüdi, nach acht Monaten Pause stehen Sie jetzt wieder auf den Ski. Wie fühlt es sich an?
Sanna Lüdi: Fantastisch! Ich bin jeden Morgen froh, dass ich aufstehen und arbeiten gehen darf. Als ich wieder auf den Ski stand, war für mich klar: Die Reha hat sich allemal gelohnt.
Nau.ch: Sie mussten sich nach einem Sturz im Dezember in Val Thorens beide Knie operieren lassen. Eigentlich war nur eine Operation geplant. Was ist passiert?
Sanna Lüdi: Ich ging in Frankreich ins Spital, die haben aber nichts gesehen. Sie haben nur ein Knie angeschaut und ein MRI gab es keines. Die Ärzte sagten, es sei wohl nur ein Band angerissen. Deshalb war mein Master-Plan: Eine Woche Pause, dann steige ich wieder in den Weltcup ein.
Es kam anders. Als ich in der Schweiz zurück war, hatte ich beim Wellnessen trotzdem noch starke Schmerzen. Dann ging ich ein MRI machen. Es stellte sich heraus, dass ich am rechten Bein das Aussenband und am linken Bein das Innenband gerissen hatte. Deshalb zwei Knie-OPs.
Nau.ch: Acht Monate sind trotzdem ungewöhnlich lang, stimmt das?
Sanna Lüdi: Ja, das ist eine dumme Geschichte. Meine Knie wären eigentlich vor zwei Monaten wieder verheilt gewesen. Dann kamen die Ferien, ich wollte surfen gehen – und bei der ersten Welle machte ich mir die Schulter kaputt. So kamen halt nochmals zwei Monate Pause dazu.
Nau.ch: Nach dem Sturz haben Sie Videos auf Instagram hochgeladen – können sie bei den schlimmen Bildern überhaupt hinsehen?
Sanna Lüdi: Mich machen die Bilder eher «hässig». Das Video lud ich aber auf Instagram hoch, weil ich auch sehr stolz auf mich war. Auf den Bildern sieht man, dass hinter mir eine Weltmeisterin und eine Olympiasiegerin klassiert sind. Und mein Saisonziel war, wieder an der Spitze zu sein. Deshalb war ich stolz, dass mir dies schon im ersten Weltcup-Rennen gelang – bis zehn Meter vor dem Ziel, als ich abgeschossen wurde.
Nau.ch: Sie sind 34 Jahre alt. Überlegten Sie sich, mit dem Skifahren aufzuhören?
Sanna Lüdi: Ja. In diesem Sommer zweifelte ich häufig. Vor allem als das Coronavirus aufkam und man nicht wusste, wie es weitergeht. Wenn ein, zwei Saisons ins Wasser fallen, dann wars das wohl in meinem Alter.
Als ich wieder auf dem Schnee fahren konnte, waren die Zweifel aber wie weggewischt. Ich war einfach nur noch happy und dankbar, dass ich immer noch meine Leidenschaft ausüben kann.
Nau.ch: Gab es jemanden, der Sie auf dem Weg zurück besonders unterstützt hat?
Sanna Lüdi: Einerseits mein Vertrauens-Physio in Florida. Zu Beginn der Reha war ich noch im Rollstuhl, es lief überhaupt nicht wie am Schnürchen. Meine Muskulatur bildete sich stark zurück, ich hatte null Stabilität in den Beinen. Ich brauchte einen Tapeten-Wechsel und ging nach Florida. Er hat mir in dieser Zeit enorm geholfen. Als ich zurückkam, ging es vorwärts und beide Knie waren wieder gut.
Andererseits bin ich sehr eng mit meinem Mental-Coach verbunden. Er hat mir schon aus vielen schwierigen Situationen hinausgeholfen.
Nau.ch: Einen Freund gibt es zurzeit nicht?
Sanna Lüdi: Kein Kommentar.
Nau.ch: Die Knie sind verheilt – Sie sind Anfang Dezember beim Saisonstart wieder mit dabei?
Sanna Lüdi: Das bin ich sicher, ja. Sofern die Wettkämpfe überhaupt stattfinden.
Nau.ch: Bei Grossanlässen hat es noch nicht zu Edelmetall gereicht. 2019 waren Sie mit dem vierten Platz aber ganz nah dran. In Peking 2022 ist die Medaille das Ziel?
Sanna Lüdi: Nach den vielen Verletzungen sage ich heute: Wenn sie kommt, dann ist das eine schöne Auszeichnung. Aber es braucht auch viel Glück, zum Beispiel, dass dir niemand über die Ski fährt.
Ich bin in meiner Karriere im Verhältnis noch nicht viel Skicross gefahren – ich musste mehrere Saisons aussetzen. Und ich kann heute sagen, dass ich in den Situationen, in denen ich war, immer das Maximum herausgeholt habe. Aber klar: Eine Medaille ist an Olympischen Spielen immer das Ziel.
Nau.ch: Was stimmt sie optimistisch?
Sanna Lüdi: An Olympia 2018 kam ich bis in den Halbfinal – obwohl ich mir kurz vor dem Start die Hüfte brach! Da bin ich in diesem Jahr trotz der langen Pause besser dran.
Nau.ch: Im Jahr 2015 mussten Sie lange pausieren – nicht wegen einer Verletzung. Sie wurden aufgrund verpasster Dopingkontrollen gesperrt. Was ist dort genau vorgefallen?
Sanna Lüdi: Das ist ein alter Hut – und die Frage kommt immer wieder. Ich habe in meinem Leben noch nie Doping genommen, habe ein reines Gewissen.
Nau.ch: Warum dann die Sperre?
Sanna Lüdi: Es gibt Meldepflichten, du bist in verschiedenen Pools und Systemen – und ich habe schlichtweg den Überblick verloren. Ich wurde innert kürzester Zeit dreimal aufgerufen. Beispielsweise brach ich mir kurz vor Olympia das Bein und rückte verspätet ins Vorbereitungs-Camp von Swiss Ski ein.
Nau.ch: Und seither hatten Sie keine Probleme mehr bei der Einhaltung der Termine?
Sanna Lüdi: Seither wurde ich nie mehr kontrolliert. Es ist sehr inkonsequent, welche Athleten in welchem Pool sind.