ETH will Professorin wegen pflichtwidrigem Verhalten entlassen

Der neue ETH-Präsident Joël Mesot hat sich seine erste Medienkonferenz anders vorgestellt.

Konferenztisch (Symbolbild) - Keystone

Die ETH Zürich hat beim ETH-Rat die Entlassung einer Professorin beantragt. Diese hatte sich gegenüber Doktorierenden unkorrekt verhalten. Mit einem Paket von Massnahmen sollen mögliche Konflikte künftig frühzeitig erkannt und gelöst werden.

Der neue ETH-Präsident Joël Mesot hat sich seine erste Medienkonferenz anders vorgestellt. Statt über wissenschaftliche Erfolge zu berichten, nahm er am Donnerstag vor den Medien in Zürich Stellung zu Fällen von fehlerhaftem Führungsverhalten. Ausserdem gab er bekannt, dass die ETH die Entlassung einer Professorin beim ETH-Rat beantragt hat.

In den vergangenen beiden Jahren waren mehrere Fälle an Schweizer Hochschulen bekannt geworden, bei denen Doktorierende über Demütigungen, mangelnden Respekt, emotionalen Druck und mangelnde Betreuung geklagt hatten.

Die Schulleitung hat nun beim ETH-Rat die Entlassung der Professorin am ehemaligen Institut für Astronomie beantragt. Nach Vorwürfen über ungenügendes Führungsverhalten hatte eine Administrativuntersuchung im vergangenen Jahr schwerwiegendes pflichtwidriges Verhalten festgestellt und eine Aufhebung des Arbeitsverhältnisses empfohlen.

«Vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht möglich»

Die Kündigung eines Professors oder einer Professorin ist jedoch nicht einfach. Die Professorenverordnung sieht vor, dass zunächst eine Kommission die Angemessenheit der Kündigung prüft und eine Empfehlung ausspricht. Den Entscheid, ob beim ETH-Rat ein Antrag auf Entlassung eingereicht wird, trifft dann der ETH-Präsident gemeinsam mit der Schulleitung.

Die Kommission befand, dass eine Entlassung aus juristischer Sicht eher nicht gerechtfertigt sei. Die Professorin sei erst spät verwarnt worden und habe daher keine Möglichkeit gehabt, ihr Verhalten anzupassen.

Trotzdem will die ETH das Arbeitsverhältnis mit der Professorin beenden, denn die Kommission stellte auch fest, dass die Vorwürfe im Untersuchungsbericht «weitgehend zutreffen», dass das Verhalten der Professorin angesichts der starken Abhängigkeit von Doktorierenden «inakzeptabel» sei und dass die Professorin keine Einsicht zeige, dass sie sich unkorrekt verhalten habe.

Weil die Schulleitung also keine Aussicht auf Besserung erkennt, sieht sie die Voraussetzungen für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr gegeben.

Bitte um Entschuldigung

«Ich möchte im Namen der ETH alle um Verzeihung bitten, die von Fehlverhalten ihrer Vorgesetzten betroffen waren», sagte Mesot. Respektloses Verhalten sei inakzeptabel.

Gleichzeitig räumte er ein, dass es Fälle gegeben habe, in denen die ETH als Institution Fehler gemacht habe: Bisweilen hätten die Eskalationswege bei konkreten Meldungen nicht immer funktioniert und so hätten betroffene Mitarbeitende nicht schnell genug geschützt werden können.

Neben dem Fall am ehemaligen Institut für Astronomie laufen noch zwei weitere formelle Verfahren: eine Administrativuntersuchung am Departement für Biosysteme in Basel und am Departement für Maschinenbau und Verfahrenstechnik eine Untersuchung wegen möglichen wissenschaftlichen Fehlverhaltens. Weil es sich um laufende Verfahren handelt, konnte Mesot dazu am Donnerstag keine weiteren Informationen geben.

Am Departement für Architektur hat sich der betroffene Professor nach dem Abschluss einer Disziplinaruntersuchung im Januar entschieden, die ETH zu verlassen.

Mehrere Betreuungspersonen für Doktorierende

Damit solche Eskalationen in Zukunft nicht mehr vorkommen, hat die ETH ein umfangreiches Massnahmenpaket geschnürt. Der dringendste Handlungsbedarf bestehe in den Bereichen Prävention und Führung sowie in der konkreten Behandlung von Konfliktsituationen, hiess es am Donnerstag.

Besonderes Augenmerk will die Hochschule auf die Betreuung von Doktorierenden legen, wie Rektorin Sarah Springman sagte. Um die strukturell bedingte Abhängigkeit zu verringern, werden diese in Zukunft von mindestens zwei Personen betreut.

Ein Case-Manager wurde eingestellt, die Ombudsstelle und die Vertrauenspersonen aufgestockt. Allfällige Meldungen zu sexueller Belästigung sollen künftig über eine spezialisierte und gut dotierte Meldestelle behandelt werden.

Ausserdem soll schon bei der Berufung von Professorinnen und Professoren deren Führungskompetenz ein wichtiges Auswahlkriterium sein. Die Führungskultur an der ETH solle grundlegend gestärkt werden, sagte Mesot.