Coronavirus führt zu Knappheit bei Hartweizengriess

Sie habe schon diverse ältere Damen vertrösten müssen, berichtet eine Coop-Angestellte. Die wollten wohl alle, so die Vermutung, Griessköpfli kochen für die Enkel im Homeschooling. Oder wollten einfach alle, alle Grossmütter gleichzeitig Griessköpfli kochen? Denn der Hartweizengriess ist ausverkauft, auch bei Migros und in den Online-Shops der Grossverteiler.

«Wir spüren eine erhöhte Nachfrage nach Hartweizengriess», bestätigt Migros-Sprecherin Cristina Maurer Frank. Entgegen den Informationen von Nau.ch-Lesern sei der Artikel aktuell aber normal verfügbar. Ähnlich tönt es bei Coop. Knapp, aber noch lieferbar.

Reis, Zucker und WC-Papier: Hatten wir schon, können wir uns auch denken, weshalb noch vor Monatsfrist «gewisse Leute» diese Produkte hamsterten. Aber Hartweizengriess? Nicht unbedingt ein Produkt, das zum Standard-Inventar der Otto Normalpandemiker gehört.

Entsprechend können die Grossverteiler auch keine Erklärung liefern, lediglich Erklärungsversuche. Coop hat extra noch sein Tochterunternehmen Betty Bossy aufgeboten, aber nein: Kein Boom bei Hartweizengriessrezepten. Migros bietet die Migusto-Experten auf. «Unser ‹Fluffiges Chnoblibrot›-Rezept war in den letzten Wochen DER Hit auf Social Media; da brauchte es Hartweizengriess.»

Dahinter ist allerdings ein grosses Fragezeichen zu setzen, denn die Hit-Behauptung lässt sich nicht verifizieren. Zudem braucht es für 28 Stück lediglich 10 Gramm Hartweizengriess. Plausibler erscheint der während der Corona-Krise aktuelle Osterfladen – genau, der ist doch irgendwie so krümelig, Griess-Alarm!

Im von den Migusto-Experten vorgeschlagenen veganen Migusto-Rezept enthält er immerhin drei Esslöffel Griess, beim (nicht-veganen) von Dr. Oetker 100 Gramm. TV-Köchin Annemarie Wildeisen verwendet allerdings gemahlene Mandeln, genau so wie die Coop-Plattform «Fooby». Diese klatscht aber immerhin einen Hinweis zum Hartweizengriessmangelrätsel dem geneigten Grosi direkt aufs Auge, in Form eines Hinweisschilds.

«FOOD FACTS» schreit der Regalstecker dem trendy Grosi entgegen. Fakt sei nämlich, dass Griess sowohl gestern wie heute gut schmecke, zum Beispiel als gebackener Griessbrei. Kein Wunder stürzen sich Kunden auf den Hartweizengriess und lassen das eben noch begehrte Ruch- und Dinkelmehl links liegen. Gähnende Leere im Regal, wer zu spät kommt, muss die Pandemie Griessköpfli-los überstehen.

Eine andere Spur klingt da plausibler: «Dass wegen Homecooking die Leute vermehrt selber Pasta machen. Dafür braucht es Hartweizengriess», wissen die Migusto-Experten. Hinzu kommt, dass einige Teigwarenhersteller wegen der grossen Nachfrage ihre Produktion hochgefahren haben. So wäre zumindest ein Lieferengpass beim Grosshandel erklärbar.

Auch dass die Korngrössen-Nachbarn Bulgur und Couscous dem Hartweizengriess allmählich in die Mangellage folgten, passt in dieses Bild. Beweisen lässt sich die Homecooking-Theorie kaum. Jedoch hatten in den letzten Wochen entsprechende YouTube-Kanäle Hochkonjunktur.

Bei den «Pasta Grannies» zeigt uns das 100-jährige Teigwaren-Grosi Letizia aus Sizilien, wie sie ihre Tagliarini zubereitet. Aus «farina di grano duro»… Hartweizenmehl, nix Griess.

Noch unwahrscheinlicher und sehr weit hergeholt wäre die Theorie, dass der französische Nationalstürmer Antoine Griezmann etwas damit zu tun hat. Immerhin trägt der Spieler in Diensten des FC Barcelona den Griess im Namen, von Mittelhochdeutsch «griez», «Sand, Kies». Doch scheint das Wort für schlechtes Karma in der Krise zu sorgen. Mit Griezmann und vielen weiteren auf dem Absprung hat der FC Barcelona schon bald leere Star-Regale.

Auch wenn die Grossverteiler betonen, die Mangellage sei überwunden: In vielen Rezepten lässt sich Hartweizengriess durch Maisgriess ersetzen. Sagen sie jetzt nicht: «Das hab ich ja noch viel weniger vorrätig als dieses andere Zeug, von dem ich heute auch zum ersten Mal höre.» Maisgriess ist nichts anderes als Polenta. Falls diese demnächst bei Coop und Migros ausverkauft sein sollte, wissen wir dann aber von nichts.