Krebs nach Organtransplantation von Raucherlunge
Der Druck, ein Spenderorgan zur Transplantation freizugeben, ist für Ärzte in der Schweiz hoch. Denn Organe sind Mangelware. Verzicht kommt kaum in Frage.
Das Wichtigste in Kürze
- In Frankreich verstarb eine Organempfängerin wegen einer kranken Spenderlunge an Krebs.
- Auch in der Schweiz ist der Druck gross, mangelhafte Organe freizugeben.
- Dank dem online Organspenderregister könnte die Situation sich entspannen.
Im November 2015 bekam eine Französin ein zweites Leben geschenkt. Das dachte sie zumindest, als sie die Spenderlunge einer 57-jährigen Frau transplantiert bekam. Ohne Spenderorgan hätte die Frau, die an Zystischer Vibrose litt, nicht mehr lange weiterleben können.
Doch kurz nachdem das Organ transplantiert worden war, zeigte sich ein Schatten auf der Lunge: Ein bösartiger Tumor wuchs in der neuen Lunge. Denn die verstorbene Organspenderin war starke Raucherin. Während 30 Jahren hatte sie täglich mindestens ein Päckchen Zigaretten geraucht.
Immunsuppression schwächt die Abwehr gegen Krebs
Weil das Immunsystem nach einer Organtransplantation stark unterdrück werden muss, damit es das neue Organ nicht als Fremdkörper einordnet und abstösst, sind die körpereigenen Abwehrkräfte geschwächt. Dadurch steigt das Risiko, einen bösartigen Tumor zu entwickeln.
Bei der Patientin in Frankreich ging dies so schnell, dass sie nur zwei Monate nach ihrer Einlieferung in das Krankenhaus von Montpellier verstarb. Nun haben französische Ärzte den Fall untersucht und kamen zum Schluss, dass Organe von starken Rauchern noch besser kontrolliert werden müssen. Doch wie ist das Vorgehen eigentlich in der Schweiz?
«Es ist eine Gratwanderung»
«Es gibt Menschen, die sterben mangels Spenderorganen auf der Warteliste für eine neue Lunge», sagt Christophe von Garnier, stellvertretender Direktor der Klinik für Pneumologie am Inselspital Bern. «Natürlich will man es vermeiden, eine Raucherlunge zu transplantieren. Wir wollen Organe weitergeben, die einwandfrei sind. Aber der Druck, ein Spenderorgan freizugeben, ist sehr hoch. Darum werden auch Spenderlungen akzeptiert, die nicht optimal sind.»
Optimal wäre das Organ eines jungen Menschen, der beispielsweise bei einem Motorradunfall stirbt. Die Regel allerdings sind Organe von älteren Menschen, die selber bereits nicht mehr ganz einwandfrei sind. Doch viele Patienten, die auf eine Lunge warten, hätten die Wahl zwischen dem sicheren Tod und dem Risiko, dass ein Spenderorgan mit sich bringt. «Das ist immer eine Gratwanderung und wir hoffen einfach, dass die Patienten mit dem Spenderorgan noch einige Jahre leben können», so von Garnier.
Starke Raucher werden selten Spender
Organe von so starken Rauchern, wie im Falle der Spenderin aus Frankreich, würden in der Schweiz allerdings nicht transplantiert. Denn dann sei nicht nur die Lunge, sondern auch das Herz oft bereits stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Zudem werden die Organe vor der Operation untersucht: «Wir versuchen so viel wie möglich Informationen über einen möglichen Spender zu erhalten, führen ein CT durch und machen jeweils eine Lungenspiegelung, um sicher zu gehen, dass das Organ gesund ist», so von Garnier. «Wegen der Immunsuppression besteht aber bei allen Transplantationspatienten ein generell erhöhtes Krebs-Risiko.»
Bildet sich ein bösartiger Tumor in der transplantierten Spenderlunge aus, ist das Austauschen des Spenderorgans keine Option mehr. «Lungenkrebs beschränkt sich selten nur auf die Lunge, er greift auf andere Organe über. Einen kranken Patienten dürfen wir nicht mehr transplantieren», so der Arzt.
Über 30'000 neue Spender
Um die Situation der Organ-Knappheit zu entspannen, hat die Stiftung Swisstransplant im Oktober ein neues Organspenderegister für Lichtenstein und die Schweiz eröffnet. Potentielle Spender können sich dort online registrieren – was sie in unerwartet hoher Zahl auch tun. «Seit der Lancierung des Nationalen Organspenderegisters haben sich bereits 34'315 neue Spender registriert», berichtet Hélène Steck von Swisstransplant.