Organspende

Organspende: Die Suche einer jungen Frau nach einer neuen Niere

Nadine Brügger
Nadine Brügger

Basel,

Die Suche nach einem Nieren-Spender wird zum Prüfstein für die ganze Familie. Nau hat fünf Jahre nach der Transplantation mit einer Patientin gesprochen.

Andrea Ruckstuhl mit Söhnchen Leon. Ohne die Organspende ihres Vaters wäre eine Schwangerschaft nicht möglich gewesen.
Andrea Ruckstuhl mit Söhnchen Leon. Ohne die Organspende ihres Vaters wäre eine Schwangerschaft nicht möglich gewesen. - zvg

Das Wichtigste in Kürze

  • Mit 26 Jahren erfährt Andrea Ruckstuhl, dass sie eine Spenderniere braucht.
  • Ihr Vater lässt isch testen und schenkt der Tochter eine seiner Nieren.
  • Spürt man die fremde Niere im Körper? Und muss man ewig dankbar sein?

Andrea Ruckstuhl ist 26 Jahre alt, als der Nierenspezialist ein ernstes Gesicht macht. «Lange halten diese Nieren nicht mehr», sagt er, «sie brauchen einen Spender». Ruckstuhl ist Diabetikerin, hat Glutenunverträglichkeit und bereits als Mädchen eine schlechte Nierenfunktion. Doch die Worte «Organspende», «Transplantation» und «sonst die Dialyse», die sind neu.

Die Familie ist betroffen. Die Freunde sind betroffen. «Natürlich kannst du eine Niere von mir haben», sagen die meisten. Sie werden es sich in den kommenden Tagen wieder anders überlegen.

Die Mutter will nicht spenden

«Sobald es darum geht, sich tatsächlich testen zu lassen, sieht man sehr schnell das wahre Gesicht der Menschen», sagt Ruckstuhl. «Entweder, ich bin es jemandem wert, sich operieren zu lassen, mit allen Risiken, eine Narkose zu bekommen und ein Organ abzugeben, für immer, oder eben nicht.» Vorwurf, Groll oder Enttäuschung sucht man in ihrer Stimme vergebens. Es ist einfach, wie es ist.

Ruckstuhls Geschwister, selber Eltern, wollten ihre Organe lieber aufsparen: Was, wenn eines der eigenen Kinder dereinst eine Niere braucht und man seine schon verschenkt hat? Auch die Mutter konnte sich nicht zur Spende durchringen.

Keine Vorwürfe

Ernüchternd sei diese Zeit gewesen. «Aber auch echt», sagt Ruckstuhl, «es gibt plötzlich keine Fassade mehr.» Pure Ehrlichkeit. «Ich bin meiner Mutter und meinen Geschwistern nicht böse», sagt sie dann. Ein Organ zu spenden sei eine viel zu grosse Sache, als dass man sie von irgendjemandem erwarten dürfe.

Wir sitzen im Wohnzimmer. Draussen wird gebaut, von drinnen schaut der zweijährige Leon gebannt dabei zu. «Ich war immer das kranke Kind», sagt Ruckstuhl und betrachtet ihren Sohnemann, «ich hatte nie damit gerechnet, jemals selber eine Familie haben zu können.»

Akzeptiert der Körper das fremde Organ?

Leons zweiter Name ist Peter. «Nach meinem Vater», sagt Ruckstuhl. Er war es, der ins nächste Krankenhaus marschierte, sich testen liess und seiner Tochter die eigene Niere spendete. «Ohne Papa und seine Niere gäbe es Leon nicht.» Das Band zum Vater sei seither enger geworden. Eine Niere zu bekommen, «dass macht einfach etwas mit einem».

Leon Peter (2) hat als Zweitnamen den Namen seines Opas bekommen.
Leon Peter (2) hat als Zweitnamen den Namen seines Opas bekommen. - Nau.ch

Bei einer Transplantation besteht stets das Risiko, dass der Körper das fremde Organ abstösst. «Ich komme von Papa und die Niere auch, das hat sich für mich von Anfang an so richtig angefühlt, dass ich nie Angst hatte», sagt Ruckstuhl. Sie sagt, sie trage heute noch mehr Sorg zu sich selber, als früher. Zu einer Zigarette würde die ehemalige Raucherin nie mehr greifen. «Weil ich weiss, dass Papa das nicht gut findet.»

Würde sie eine Niere für ihre eigenen Kinder geben? Ruckstuhl weiss genau, was die Transplantation mit sich bringt. Sie denkt keine Sekunde nach: «Sofort.»

Wie lange hält die neue Niere?

Mittlerweile hat Ruckstuhl die Dreissig hinter sich. Im Herbst wird ihr zweites Kind geboren. Die Nierenwerte sind in Ordnung – grandios aber nicht. Die beiden Schwangerschaften haben sie zusätzlich belastet. Etwas weniger Energie und mehr Erkältungen, so zeigt sich das bei Ruckstuhl. Im Moment.

Eine Spenderniere bringt nie die gleiche Leistung, wie eine eigene. Und sie hält durchschnittlich 15 Jahre. Ruckstuhl wird noch viel länger leben. Vor jeder Kontrolle steigt darum die Frage hoch: Wann ist es wieder so weit? Wann wird der Nierenspezialist wieder ein ernstes Gesicht machen? Und wer springt dann ein?

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