Amokläufe in den USA: Experte glaubt nicht an Waffengesetz-Änderung

In den USA ist es zuletzt gleich zu mehreren Massakern mit zahlreichen Opfern gekommen. Ein Experte spricht im Interview mit Nau.ch über das US-Waffengesetz.

Die amerikanische Verfassung garantiert jedem US-Bürger das Grundrecht, Waffen zu besitzen. - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • In den letzten Wochen ist es in den USA zu mehreren Amokläufen gekommen.
  • Deshalb macht sich Präsident Joe Biden jetzt für ein strengeres Waffengesetz stark.
  • USA-Experte Josef Braml spricht mit Nau.ch über die möglichen Folgen der Massaker.

«Wie viel mehr Blutvergiessen sind wir bereit zu akzeptieren?» Diese Frage stellte US-Präsident Joe Biden seinem Volk letzte Woche bei einer emotionalen Rede.

Nach einer Serie tödlicher Angriffe mit Schusswaffen scheint Biden am Ende seiner Geduld angelangt zu sein. Deshalb fordert der Demokrat nun eine Verschärfung der Waffengesetze und ein Verbot von Sturmgewehren.

US-Präsident Joe Biden fordert nach den jüngsten Amokläufen strengere Waffengesetze. - Keystone

Doch ist das in den USA überhaupt denkbar? USA-Experte Josef Braml spricht im Interview über die amerikanische Liebe zu den Waffen, Joe Biden und wie es jetzt beim Waffengesetz weitergeht.

Braml ist USA-Experte und Autor des Buches «Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können». Ausserdem betreibt er einen Blog.

Nau.ch: Herr Braml, warum ist der Waffenbesitz in den USA so tief verankert?

Josef Braml: Der zweite Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten garantiert seit 1791 jedem US-Bürger das Grundrecht, Waffen zu besitzen.

Bei der Schiesserei in einer High School im US-Bundesstaat Texas sind am 18. Mai zehn Menschen getötet worden. - Keystone

Gleichwohl bleibt dieser Zusatzartikel bis heute umstritten, weil er unterschiedlich interpretiert werden kann. Nach einem Urteil des Obersten Gerichts können jedoch Bundesstaaten, Bezirke und Gemeinden keine abweichenden Regelungen erlassen.

Nau.ch: Warum gab es in den letzten Jahren keine Verschärfung des Waffengesetzes?

Josef Braml: In den USA besitzen viele Waffen, vor allem die Bewohner ländlicher Regionen. Auf 100 Menschen kommen in den USA rund 120 Schusswaffen – und das sind nur die registrierten.

Die National Rifle Association (NRA) möchte kein Waffenverbot in den USA. - Keystone

Die Waffenbesitzer sind gut organisiert. Mit der National Rifle Association of America (NRA) werden ihre Interessen von einer mächtigen Lobby vertreten. Die NRA übt vor allem auf nationaler Ebene grossen Einfluss auf alle drei politischen Gewalten aus.

Nau.ch: Welche Rolle spielen beim Waffengesetz die Mehrheiten im Kongress?

Josef Braml: Es braucht in den USA keine Mehrheiten, um Reforminitiativen zu blockieren. Im Senat kann ein Einzelner mit Dauerreden alles blockieren. Nur eine qualifizierte Mehrheit von drei Fünftel, sprich 60 der 100 Senatoren, können ihm den Mund verbieten.

Nau.ch: Ist die Zustimmung fürs lockere Waffengesetz nach den letzten Amokläufen beim Volk gesunken?

Josef Braml: Nach jeder grösseren medienwirksamen Tragödie wären jeweils mehr Amerikaner bereit, den Waffenbesitz einzuschränken. Aber die Aufmerksamkeit nimmt dann halt regelmässig wieder ab – bis zum nächsten Amoklauf.

Umfrage

Brauchen die USA schärfere Waffengesetze?

Ja, höchste Zeit.
53%
Nein, Freiheit ist wichtiger.
47%

Umfragen verdeutlichen aber auch, dass ein harter Kern von Waffenbesitzern ihr Grundrecht mit Rede-, Presse- und Religionsfreiheit gleichstellen.

Nau.ch: Glauben Sie, dass die jüngsten Geschehnisse etwas ändern werden?

Josef Braml: Nein, leider nicht.

Nau.ch: Inwiefern könnte eine Anpassung des Waffengesetzes eine Chance für Joe Biden sein?

Josef Braml: Biden könnte damit eine weitere Chance nutzen, um aller Welt seine innenpolitische Handlungsunfähigkeit zu demonstrieren. Er muss wohl oder übel anerkennen, dass bei den derzeitigen Machtverhältnissen nicht viel zu machen ist.

Das lasche amerikanische Waffengesetz sorgt seit langem für Diskussionen. (Symbolbild) - AFP

Zudem könnte der Schuss politisch nach hinten losgehen. Nicht zuletzt auch wegen Hillary Clintons entschiedener Haltung gegen Schusswaffen wurde Trump seinerzeit zum Präsidenten der USA gewählt.