Fed legt vorerst Zinspause ein - EZB vor neuer Zinserhöhung
Die US-Notenbank hat ihren Leitzins nicht noch einmal angehoben – doch der Kampf gegen die hohe Inflation ist noch lange nicht vorbei. Das dürfte auch der anstehende EZB-Zinsentscheid verdeutlichen.
Das Wichtigste in Kürze
- Nach einer Zinspause der US-Notenbank Fed steuert die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die hohe Inflation auf eine weitere Erhöhung des Leitzinses zu.
Volkswirte rechnen überwiegend mit einer moderaten Anhebung der Leitzinsen im Euroraum um 0,25 Prozentpunkte. Die Notenbank gibt die Entscheidung des EZB-Rates heute Nachmittag bekannt.
Die Fed hatte gestern nach zehn Zinsanhebungen in Folge den Leitzins erst einmal in der Spanne von 5,0 bis 5,25 Prozent belassen. Doch die Notenbank der grössten Volkswirtschaft machte deutlich, dass das noch lange nicht das Ende der strengen Geldpolitik sein soll. Die Fed signalisierte noch mindestens zwei weitere Anhebungen in diesem Jahr.
Historische Straffungsperioden
Es könne sinnvoll sein, die Zinsen zu erhöhen, aber in einem moderateren Tempo, sagte Fed-Chef Jerome Powell. Man werde von Sitzung zu Sitzung neu bewerten. Aber über Zinssenkungen könne man erst zu einem Zeitpunkt sprechen, an dem die hohen Verbraucherpreise deutlich sinken würden. «Wir reden hier von ein paar Jahren in der Zukunft.» Seit März 2022 hat die Fed ihren Leitzins im Kampf gegen gestiegene Verbraucherpreise um insgesamt fünf Prozentpunkte angehoben. Der Zyklus gilt als eine der schnellsten und schärfsten Straffungsperioden in der Geschichte der Fed.
Auch die EZB hat nach Jahren mit Null- und Negativzinsen angesichts der hartnäckig hohen Teuerung die Zinsen seit Juli 2022 sieben Mal in Folge angehoben. Der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Zentralbankgeld besorgen können, liegt mittlerweile bei 3,75 Prozent. «Der Preisdruck bleibt stark», sagte EZB-Präsidentin Christine Lagarde jüngst. «Unsere künftigen Entscheidungen werden sicherstellen, dass die Leitzinsen auf ein ausreichend restriktives Niveau gebracht werden.»
Ein Balanceakt
Die Inflation im Zaum zu halten, ist die klassische Aufgabe der Notenbanken. Die Fed und die EZB streben mittelfristig Preisstabilität bei einer Inflationsrate von 2 Prozent an. Mit den deutlichen Anhebungen der Zinsen haben die Zentralbanken versucht, die hohen Verbraucherpreise zu senken. Denn steigen die Zinsen, müssen Privatleute und Wirtschaft mehr für Kredite ausgeben – oder leihen sich weniger Geld. Das Wachstum nimmt ab, Unternehmen können höhere Preise nicht unbegrenzt weitergeben – und so sinkt die Inflationsrate idealerweise wieder. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Wirtschaft abgewürgt wird.
Im Mai lag die Teuerungsrate im Währungsraum der 20 Euro-Staaten einer ersten Schätzung des Statistikamtes Eurostat zufolge bei 6,1 Prozent – nach 7,0 Prozent im April. Auch in den USA hat sich der Anstieg der Verbraucherpreise im Mai merklich abgeschwächt. Sie stiegen im Vergleich zum Vorjahresmonat um 4,0 Prozent – die niedrigste Rate seit März 2021. Fed-Chef Powell betonte, dass dies immer noch deutlich zu hoch sei. Die Fed rechnet im laufenden Jahr mit einer Inflationsrate von durchschnittlich 3,2 Prozent in den USA und für das kommende Jahr mit 2,5 Prozent. Erst für 2025 prognostizieren die Zentralbanker dann 2,1 Prozent.
Dow Jones erholt sich etwas zu Börsenschluss
Die Anleger an den New Yorker Börsen nahmen den Zinsentscheid der Fed einigermassen gefasst auf. Der schon davor schwächelnde Leitindex Dow Jones Industrial weitete seinen Verlust bis auf knapp 1,3 Prozent aus, konnte sich dann aber wieder etwas erholen. Zum Handelsende zeigten die Kurstafeln noch ein Minus von 0,68 Prozent auf 33.979,33 Punkte an. Thomas Altmann vom Vermögensverwalter QC Partners nannte die Zinspause «zumindest eine kleine Zäsur». Doch die Fed lasse «die Tür für weitere Erhöhungen deutlich mehr als einen Spalt weit offen».