Lage in Libyen verschärft sich – Ägypten droht mit Intervention
Libyen kommt seit dem arabischen Frühling nicht zur Ruhe. Ägypten droht mit einer Intervention – die Regierung in Tripolis spricht von einer «Kriegserklärung».
Das Wichtigste in Kürze
- In Libyen herrscht seit mehreren Jahren Bürgerkrieg – das Land ist gespalten.
- Jüngst begann die Türkei, die Regierung im Westen des Landes militärisch zu unterstützen.
- Nun droht Ägypten mit einer Intervention zugunsten der Gegenregierung im Osten.
Die Freude über die Absetzung des langjährigen libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi im arabischen Frühling 2011 währte nur kurz. Die Hoffnungen der Bevölkerung Libyens auf Demokratie und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage wurden nicht erfüllt.
Der Plan, stabile politische Verhältnisse zu schaffen, scheiterte. Die Übergangsregierung, welche den libyschen Staat neu organisieren sollte, erhielt nur wenig Rückhalt unter den mächtigen Militärs des Landes. Das Land rutschte bald in einen Bürgerkrieg, der bis heute anhält.
Libyen wird zum politischen Spielball im Nahen Osten
Der Bürgerkrieg hat den libyschen Staat zweigeteilt. Die Regierung in der Hauptstadt Tripolis kontrolliert nur einen kleinen Teil der Landesfläche im Westen. Der Osten des Landes, zu dem die Wirtschaftszentren Bengasi und Sirte gehören, wird von der Gegenregierung in Tobruk kontrolliert.
Ähnlich wie Syrien ist auch Libyen zum Spielball der politischen Kräfte im Nahen Osten geworden. Verschiedene mächtige politische Akteure buhlen um Einfluss im arabischen Raum. Sie setzen sich für die eine oder andere Seite ein, um ihre Position zu stärken.
So unterstützt die Türkei die Übergangsregierung von Fayiz as-Sarradsch in Tripolis. Wie «Al Jazeera» berichtet, hat die Türkei in den vergangenen Wochen der Regierung in Tripolis militärische Hilfe zukommen lassen. Die westlichen Truppen konnten daraufhin Gebietsgewinne zulasten der Gegenregierung in Tobruk verzeichnen.
Türkische Unterstützung bewirkt ägyptische Gegenreaktion
Die türkische Intervention hat wiederum Ägypten auf den Plan gerufen: Nach einem kurzen Aufflammen der Demokratie während dem arabischen Frühling wird der Staat am Nil mittlerweile vom Militär regiert: Der ehemalige Militäroffizier und Präsident Ägyptens Abd al-Fattah as-Sisi wurde 2019 mit 97 Prozent der Stimmen wiedergewählt.
Die ägyptische Wirtschaft hat seit dem arabischen Frühling mit dem Ausbleiben der Touristen zu kämpfen. Demgegenüber verfügt das Nachbarland Libyen über grosse Reserven an fossilen Brennstoffen.
Anders als die Türkei unterstützt Ägypten die Regierung in Tobruk. Dort ist Chalifa Haftar der stärkste Mann: Der Warlord ist Anführer der libysch-nationalen Armee und beherrscht den Osten des Landes mithilfe einer Marionettenregierung. Das verschafft dem Militär das Vertrauen der ägyptischen Militärregierung, während die Vereinten Nationen weiterhin die Übergangsregierung in Tripolis anerkennen.
Ägypten droht Libyen mit Intervention
Wie die deutsche «Tagesschau» berichtete, hielt Sisi vor kurzem eine flammende Rede. «Wir stehen vor einem Wendepunkt, da an unseren Grenzen direkte Bedrohungen entstehen», sagte der ägyptische Präsident angesichts jüngster Erfolge der Tripolis-Fraktion. Während im Hintergrund Panzer auffuhren und Kampfjets starteten, sprach der Machthaber seine Unterstützung für Warlord Haftar aus.
Die Übergangsregierung in Tripolis bezeichnete die Drohgebärden aus Kairo als «Kriegserklärung». «Die Einmischung in seine inneren Angelegenheiten, die Angriffe auf die Souveränität» seien für den libyschen Staat inakzeptabel, zitiert «Al Jazeera».
Bisher hat Ägypten seinen Drohungen keine Taten folgen lassen. Sollte es so weit kommen, könnte der libysche Bürgerkrieg zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen der Türkei und Ägypten werden. Während die Türkei auf den Rückhalt der Vereinten Nationen setzt, haben Ägypten und die libysche Gegenregierung die Unterstützung Russlands.
Der Leidtragende im Konflikt bleibt derweil das libysche Volk. Mit der neuen Eskalation rückt die von den Vereinten Nationen angestrebte Einigung zwischen den Kriegsparteien in weite Ferne.