Libanesin: «Es ist, als warten wir auf den Tod»

Eine Libanesin berichtet aus Beirut: Man habe das Gefühl, keine Luft zu kriegen. Sie fürchtet eine Zunahme der sozialen Spannungen in der überfüllten Stadt.

In Beirut gibt es wegen der Raketenangriffe kaum mehr einen Alltag. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Libanesin sagt, es sei in Beirut, als würde man auf den Tod warten.
  • Hilfe von der korrupten Regierung erhalten die Zivilisten und Flüchtlinge kaum.
  • Weil die Hauptstadt überfüllt ist, fürchtet sie eine Zunahme der sozialen Spannungen.

Seit rund einer Woche greift Israel die schiitische Hisbollah-Miliz im Libanon an. Im Süden des Landes mit Soldaten, im Rest mit Raketen – auch die Millionenstadt Beirut. Ins Visier genommen werden Ziele der Miliz, doch auch Zivilisten leiden darunter.

Einen Alltag gebe es nicht mehr, sagt Doja Daoud, eine 32-jährige Libanesin aus Beirut, zum «Spiegel». Man habe das Gefühl, zu ersticken, die ganze Zeit nach Luft zu schnappen. «Es ist, als würden wir auf den Tod warten.»

Die aktuelle Lage sei nicht mit dem Libanonkrieg von 2006 zu vergleichen. Die Zahl der Toten und Vertriebenen sei höher, die israelische Luftangriffe seien härter. «Es ist nicht in Worte zu fassen, was wir gerade durchmachen.»

Aus dem Libanon zu flüchten, ist aber für viele Libanesen keine Option: Im Nachbarland Syrien herrscht Bürgerkrieg, Flüge in andere Länder gibt es praktisch keine mehr. Und per Boot nach Zypern zu flüchten, ist sehr teuer.

Zudem befindet sich der Libanon seit Jahren in einer schweren Wirtschaftskrise: Fast 80 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Viele Junge haben das Land vor der Eskalation bereits verlassen, um ihr Glück anderswo zu suchen. Daoud beschreibt die aktuelle Situation als «Horror nach fünf Jahren Horror».

«Bezirke im Norden Beiruts sind überfüllt»

Auf Hilfe vom Staat hofft sie nicht: Einerseits herrscht hohe Korruption. Andererseits hat die eigentliche Regierung nicht das Sagen, sondern die Hisbollah, die als Staat im Staate bezeichnet wird.

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Sie fürchtet, dass die sozialen Spannungen, die bereits existieren, noch zunehmen werden. «Die Bezirke im Norden Beiruts sind überfüllt», sagt sie. Unzählige syrische und palästinensische Flüchtlinge sowie Arbeitsmigranten lebten in der Stadt, nun kämen Hunderttausende Libanesen aus dem Süden hinzu. Hilfe vom Staat bekämen auch sie keine, sagt Daoud. Und laut Berichten werden ausländische Flüchtlinge gar bei Notunterkünften abgewiesen.

Die Hoffnung von Doja Daoud liegt bei lokalen Initiativen: Freiwillige sammeln Spenden und verteilen sie an die Bedürftigen. «Auf den korrupten Staat konnte man sich noch nie verlassen.»