Coronavirus: Darum muss Belgiens Regierung Massnahmen aufheben
Ein Gericht in Belgien sieht keine rechtliche Grundlage für die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus. Dem Staat fehlt so etwas wie ein Covid-19-Gesetz.
Das Wichtigste in Kürze
- Laut Gerichtsentscheid muss Belgien die Corona-Massnahmen innert 30 Tagen zurücknehmen.
- Der Regierung fehle die nötige Rechtsgrundlage für die einschränkenden Massnahmen.
- Sie erhält aber bis zum Ende der Frist Zeit, eine entsprechende Grundlage zu schaffen.
Ein belgisches Gericht sorgte gestern Mittwoch mit einem Urteil für einen Paukenschlag: Belgiens Regierung muss innerhalb von 30 Tagen alle Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus zurücknehmen. Die Regierung habe gemäss Richter bürgerliche Freiheitsrechte und Menschenrechte ohne die nötige Rechtsgrundlage eingeschränkt
Nach einer Klage der Liga für Menschenrechte (LDM) hat das Gericht dies in erster Instanz entschieden. Die LDM hatte im Februar eine Klage gegen eine Verordnung vom Oktober 2020 eingereicht. Auf dieser beruhen später beschlossene Massnahmen.
«Die parlamentarische Debatte muss wieder in den Mittelpunkt gestellt werden», heisst es in einer Erklärung der Organisation. Grundfreiheiten könnten nicht per Verordnung eingeschränkt werden.
30 Tage Zeit, um rechtliche Grundlage zu schaffen
Gemäss der Zeitung «Le Soir» war die Rechtsgrundlage für die belgischen Corona-Massnahmen bislang ein Gesetz für Evakuierungen in Katastrophenfällen. Dieses wurde 2007 nach einer schweren Explosion an einer Gaspipeline verabschiedet. Laut dem gestrigen Gerichtsurteil seien die den Behörden übertragenen Befugnisse darin klar definiert. Diese würden die aktuelle Situation aber nicht abdecken.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ab sofort nicht mehr gelten. Denn gemäss Urteil hat die Regierung 30 Tage Zeit, ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. Und dazu muss, wie von der LDM gefordert, das Parlament eingebunden werden.
Sollte das nicht gelingen und sollte sich die Regierung anschliessend weigern, die Massnahmen aufzuheben, drohen Strafzahlungen. Diese können täglich bis zu 5000 Euro (5550 Franken), maximal aber 200'000 Euro (rund 220'000 Franken) betragen. Betroffene können zudem gegen Strafen auf Basis der für illegal erklärten Verordnung vorgehen, wie eine LDM-Anwältin der AFP erklärte.
Coronavirus: Rechtsgrundlage für Schweizer Massnahmen vorhanden
Belgien fehlt es also im Gegensatz zur Schweiz an einer rechtlichen Grundlage für die Einschränkungen wegen des Coronavirus. Hierzulande basieren diese auf dem Epidemiengesetz und dem Covid-19-Gesetz.
Ersteres wurde vom Volk im September 2013 angenommen, Letzteres wurde vom Parlament vergangenen September gutgeheissen. Am 13. Juni stimmt dann auch noch das Volk darüber ab. Eine Klage wie jene der LDM hätte in der Schweiz also wohl keine Chance.
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In Belgien hat gemäss Medienberichten die Innenministerin bereits angekündigt, dass die Regierung Berufung gegen das Urteil einlegen wird. Zudem habe laut «Le Soir» der dafür zuständige Ausschuss des Parlaments bereits am Mittwoch über ein «Pandemie-Gesetz» debattiert.
LDM kündigt weiteren Widerstand an
Die LDM kündigte aber auch gegen den diskutierten Gesetzentwurf Widerstand an. Vor allem, weil dieser zahlreiche Befugnisse für die Regierung vorsehe, um Rechte und Freiheiten einzuschränken. Es sei zu hoffen, dass die Abgeordneten bei ihrer Arbeit das nun gefällte Urteil berücksichtigen würden, so die LDM.
Schon seit Monaten gelten in Belgien strenge Regeln wegen des Coronavirus: Belgier dürfen nur mit einer Person ausserhalb des eigenen Haushalts engen Kontakt haben. Im Freien dürfen sich vier Personen mit Maske treffen, Shoppen geht nur mit Termin.
Restaurants, Kneipen und Cafés sind ohnehin seit Monaten geschlossen. Im ganzen Land gilt schon lange eine nächtliche Ausgangssperre. Zudem darf man ohne triftigen Grund weder nach Belgien ein- noch aus dem Land ausreisen.