Evangelische Kirche warnt vor Verteufelung des digitalen Wandels

Digitalisierung sei weder Verheissung noch Verhängnis. Die evangelische Kirche in Deutschland mahnt zu mehr Verantwortung mit dem Thema.

Ein deutscher Pfarrer hat Kirchengeld zweckentfremdet. - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut der Deutschen Evangelischen Kirche dürfe man die Digitalisierung nicht verteufeln.
  • Die Theologie und die Kirchen müssten sich künftig auch damit befassen, fordert ihr Ratsvorsitzender.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat die Kirchen vor einer Verteufelung der Digitalisierung gewarnt. «Theologie und Kirche müssen Tempo aufnehmen, um sich klarer als bislang in die gesellschaftliche Debatte über die Digitalisierung einzubringen», schrieb Bedford-Strohm in einem Beitrag zum Reformationstag für die Wochenzeitung «Die Zeit» laut einer Vorabmeldung von heute Dienstag. Angesichts eines grossen öffentlichen Orientierungsbedarfs helfe es niemandem, «in einer Nische wohlfeiler Untergangsprophetie zu verharren».

Ethisch sei die digitale Welt «oft noch Terra incognita», aber darin liege eine Chance. «Digitalisierung ist weder Verheissung noch Verhängnis - sie muss und kann verantwortlich gestaltet werden», schrieb Bedford-Strohm. Die christliche Tradition berge wertvolles Orientierungswissen für diese Gestaltungsaufgabe. «Wir als Kirche sollten daher einen menschendienlichen technologischen Fortschritt nicht unter ethischen Generalverdacht stellen.» Die Digitalisierung könne «segensreiche Wirkung entfalten, etwa wenn sie neue medizinische Therapien ermöglicht».

Entwicklung der Kommunikationskultur

Bedford-Strohm übte zugleich Kritik am technologischen Wandel. «Welche Gefahren die digitale Revolution aber auch mit sich bringt, zeigt die Entwicklung unserer Kommunikationskultur», schrieb er. «Kurz nach dem gewaltsamen Tod eines Manns in Chemnitz baute sich im Internet eine Flut von Fake News auf, voller Verschwörungstheorien und extremistischer Inhalte.» Gefährlich sei, dass Fake News und Hassbotschaften höhere Klickzahlen und längere Verweildauer im Internet erzeugten.

«Wahrheits- und Qualitätskriterien treten hinter die Logik des Kommerzes zurück - die Verstärkung der eigenen Auffassungen tritt an die Stelle eines kritischen Diskurses», schrieb Bedford-Strohm. «Wir müssen uns daher dringend um eine sozial verträgliche Ausgestaltung der Geschäftsmodelle von Netzgiganten kümmern.» Die Gestaltung des öffentlichen Diskursraums dürfe weder dem Markt überlassen noch einer staatlichen Kontrolle unterworfen werden, «die zur autoritären Zensur ausarten kann».