Flugzeug-Kollision bei Überlingen jährt sich zum 20. Mal
Vor 20 Jahren, am 1. Juli 2002 kam es in Überlingen (D) zu einer Flugzeug-Kollision. Das Unglück forderte 71 Todesopfer.
Das Wichtigste in Kürze
- In Überlingen (D) kam es vor 20 Jahren zu einem schweren Flugzeugunglück.
- Am 1. Juli 2002 kamen bei einer Kollision von zwei Flugzeugen 71 Menschen ums Leben.
- In diesem Jahr hat die Gedenkfeier durch den Ukraine-Krieg eine politische Dimension.
Der laue Sommerabend des 1. Juli 2002 hat sich Hans-Peter Walser ins Gedächtnis gebrannt. Damals war er Polizeidirektor in Friedrichshafen, Baden-Würtemberg.
An die Geschehnisse erinnert er sich gut: «Ich sass mit meiner Frau und einem befreundeten Paar auf dem Balkon. Und dann kam gegen kurz nach halb zwölf nur die Info ‹Flugzeugabsturz›, mehr nicht».
«Abstürze von Kleinflugzeugen hatten wir in der Region ja bedauerlicherweise immer wieder gehabt.» Das Ausmass des Unglücks in Überlingen am 1. Juli 2002 kann Walser später im Polizeifahrzeug auf dem Weg zum Einsatzort erahnen. «Da habe ich über Funk gehört, wie einer gesagt hat: ‹Es regnet Leichen vom Himmel›».
Übrig bleiben 71 Leichen
Erst im Laufe der Nacht wird die Dimension der Tragödie deutlich. In mehr als elf Kilometern Höhe ist über dem Bodensee ein Passagierflugzeug mit einer Frachtmaschine zusammengestossen.
Alle 71 Insassen sterben. Wrackteile und Leichen fallen in der Region Überlingen auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern vom Himmel. Als sie die Information von der Schweizer Flugsicherung erhalten hätten, sei klar gewesen, dass keiner überlebt haben konnte, so Walser.
Das beinahe Unglaubliche: Die Stadt Überlingen, ihre Ortsteile und der Bodensee als wichtige Trinkwasserquelle bleiben verschont, am Boden gibt es keine Verletzten. Viele Anwohner helfen stattdessen den Helfern der Suche nach Leichen, schaffen Essen und Trinken heran.
Technische Mängel und menschliche Fehler
Später stellt sich heraus, dass technische Mängel und menschliche Fehler bei Skyguide das Flugzeugunglück verursacht haben. Im Zürcher Kontrollzentrum sitzt in diesem Moment ein Fluglotse, der allein für den Luftraum über Süddeutschland zuständig ist. Sein Radar und Telefon funktionieren wegen Wartungsarbeiten nur eingeschränkt.
Dass ein Unglück droht, bemerkt der Mann zu spät. Der Lotse, der den Fehler machte, wird 2004 von einem Hinterbliebenen erstochen. Der Russe hatte bei dem Absturz Frau und Kinder verloren.
In den Tagen nach der Kollision suchen mehr als 1000 Einsatzkräfte nach den Leichen. Unter den Verstorbenen sind mehrere Dutzend Schulkinder. Sie stammten aus der russischen Teilrepublik Baschkortostan und wollten zwei Wochen Ferien in Spanien machen.
Noch bevor alle Toten gefunden und identifiziert sind, reist eine russische Delegation an den Bodensee, um zu trauern. Zur Betreuung der Hinterbliebenen melden sich zahlreiche Menschen aus Überlingen und Umgebung freiwillig.
Trotz Ukraine-Krieg 40 Angehörige an Gedenkfeier in Überlingen
Die Begegnung mit den Angehörigen prägt einige von ihnen so sehr, dass sie später den Verein «Brücke nach Ufa» gründen. So soll der Austausch in die Hauptstadt der Teilrepublik Baschkortostan aufrechterhalten werden.
Kurz vor dem 20. Jahrestag des Unglücks sind die Kontakte nach Russland schwierig zu halten. Wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine entwickelt sich zudem um die Gedenkveranstaltung zur Flugzeugkollision eine politische Diskussion. Das Gedenken sei «unter anderen Gesichtspunkten zu beurteilen», sagt ein Sprecher des baden-württembergischen Staatsministeriums.
Russische Staatsvertreter seien zum Gedenken mit Schweigeminute und Kranzniederlegung nicht eingeladen, teilt die Stadt Überlingen mit. Die Hinterbliebenen heisse man aber willkommen. Der Wunsch nach einem Gedenken sei «angesichts der dramatischen Ereignisse damals wichtig und nachvollziehbar». Die Vorsitzende des Vereins «Brücke nach Ufa», Nadja Wintermeyer, geht davon aus, dass etwa 40 Angehörige teilnehmen werden.
Auch Polizeidirektor Walser, seit Ende 2003 im Ruhestand, haben die Begegnungen mit den Hinterbliebenen geprägt. «Von denen kann man lernen, was Dankbarkeit heisst und wie man sie zeigt», sagt der heute 78-Jährige. Bei der Beschreibung eines Treffens mit Elternvertretern kämpft er mit den Tränen - selbst 20 Jahre später. Das diesjährige Gedenken wolle er nutzen, um die Kontakte aufzufrischen – «Dieses verständnisvolle Miteinander darf nicht in die Brüche gehen.»