Istanbuler Prozess im Mordfall Khashoggi beginnt in Abwesenheit der Angeklagten

Mehr als anderthalb Jahre nach der Ermordung des saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi hat am Freitag vor einem Gericht in Istanbul der Prozess gegen die mutmasslichen Täter begonnen.

Sicherheitskräfte vor dem Gericht in Istanbul - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • 20 Saudi-Arabern wird «vorsätzliche und monströse Tötung unter Qualen» vorgeworfen.

Bei einer Verurteilung drohen den Beschuldigten, von denen sich keiner in der Türkei befindet, lebenslange Haftstrafen. Unter den 20 Angeklagten sind zwei Funktionäre mit engen Verbindungen zum saudiarabischen Königshaus.

Den Beschuldigten wird unter anderem die «vorsätzliche und monströse Tötung unter Qualen» vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft hatte Haftbefehle gegen alle Angeklagten ausgestellt.

Unter den Verdächtigen sind der stellvertretende saudiarabische Geheimdienstchef Ahmed al-Assiri und der ehemalige Berater des Kronprinzen Mohammed bin Salman, Saud al-Kahtani. Sie sollen nach Erkenntnissen der türkischen Ermittler die Ermordung Khashoggis im Istanbuler Konsulat angeordnet haben.

Zu Prozessbeginn war auch Khashoggis türkische Verlobte Hatice Cengiz im Saal. «Ich werde alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen, um die Mörder von Jamal zur Rechenschaft zu ziehen», sagte sie der Nachrichtenagentur AFP. Cengiz hofft, dass der Prozess auch Erkenntnisse darüber bringt, wo sich die bis heute verschwundene Leiche von Khashoggi befindet. Vor Journalisten sagte Cengiz nach dem Ende der Anhörung am Freitag, sie vertraue auf die türkische Justiz.

An dem Prozess nahm auch die UN-Sonderberichterstatterin Agnès Callamard teil. Sie hatte die Tötung Khashoggis in direkte Verbindung zum saudiarabischen Kronprinzen bin Salman gestellt und im vergangenen Jahr zu einer unabhängigen internationalen Untersuchung des Mordfalls aufgerufen. In einer Pressekonferenz am Freitag sagte sie, der Prozess in Istanbul sende ein «sehr starkes Signal an Diktatoren überall in der Welt» und führe diesen vor Augen, «dass sie nicht mit der Ermordung eines Journalisten davonkommen».

Das Verfahren hinter verschlossenen Türen in Saudi-Arabien, bei dem im vergangenen Dezember fünf Menschen zum Tode verurteilt worden waren, bezeichnete Callamard als «Scheinprozess», der «alles andere als gerecht» gewesen sei.

Die Namen der in Saudi-Arabien zum Tode verurteilten Menschen wurden nicht öffentlich gemacht. Khashoggis Sohn Salah hatte Ende Mai im Kurzbotschaftendienst Twitter erklärt, er und sein Bruder hätten den Tätern «vergeben und verziehen». Nach Einschätzung von Experten entgehen die zum Tode verurteilten Mörder dadurch der Hinrichtung. Die dem Kronprinzen nahestehenden Saudi-Araber al-Assiri und al-Kahtani wurden in dem Prozess entlastet.

Der Regierungskritiker Khashoggi war im Oktober 2018 im Konsulat Saudi-Arabiens in Istanbul von einem entsandten 15-köpfigen Kommando ermordet worden. Seine Leiche wurde zerstückelt und weggeschafft. Unter internationalem Druck gab Riad nach wochenlangen Dementis schliesslich zu, dass der Regierungskritiker «bei einem missglückten Einsatz zu seiner Festnahme» getötet worden sei.

Laut Callamard sagte ein türkischer Mitarbeiter des saudiarabischen Konsulats am Freitag vor dem Istanbuler Gericht aus, er sei am Tag von Khashoggis Ermordung in das Konsulat gerufen und beauftragt worden, den grossen Ofen im Garten des Geländes anzuzünden. «Vier oder fünf» der saudiarabischen Gäste seien bereits anwesend gewesen, sagte der Konsulatsmitarbeiter demnach offenbar in Anspielung auf das Tötungs-Kommando. Drei Tage später habe der Botschaftsmitarbeiter gesehen, dass der den Ofen umgebende Marmor gebleicht worden sei.

Die nächste Anhörung vor dem Istanbuler Gericht wurde auf den 24. November angesetzt.