London wird für viele Autofahrer teurer
Nicht nur deutsche Städte haben mit Autoabgasen zu kämpfen, auch in der Weltstadt London treibt die Luftverschmutzung Bürger und Politik um. Die Metropole setzt nicht auf Fahrverbote - sondern auf den Geldbeutel der Pkw-Besitzer. Ein Vorbild?
Das Wichtigste in Kürze
- Im Kampf gegen schmutzige Stadtluft bittet London zur Kasse: In der Innenstadt müssen Fahrer älterer Autos eine neue Umweltmaut von umgerechnet rund 14,50 Euro pro Tag zahlen.
Grüne Schilder an der Strasse markieren die «Ultra Low Emission Zone» im Zentrum der britischen Hauptstadt. Betroffen sind vor allem Diesel. Deutsche Umweltschützer lobten das Modell als vorbildlich.
Die neue Gebühr fällt zusätzlich zur City-Maut von umgerechnet knapp 13,40 Euro an und trifft auch Touristen, die in die Innenstadt fahren wollen. Sie soll die Belastung mit gesundheitsschädlichen Stickoxiden (NOx) senken, mit der auch viele deutsche Städte kämpfen - eine Umweltmaut gibt es in Deutschland aber bisher nirgends.
Londons Bürgermeister Sadiq Khan sagte, chronisch lungenkranke Kinder, Tausende vorzeitige Todesfälle und Milliardenkosten für den öffentlichen Haushalt rechtfertigten die zusätzliche Belastung der Autofahrer. Mit einer Bevölkerung von neun Millionen Menschen im Grossraum London sei es «nicht nachhaltig», wenn alle mit dem Auto durch die Stadt führen. Und er versicherte: Alle Einnahmen steckt die Stadt in den öffentlichen Nahverkehr und die Verbesserung der Luft.
Der EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel wird in Londons teils um ein Vielfaches überschritten. In den Strassen drängen sich die berühmten roten Busse, schwarzen Taxis, Lieferverkehr und Privatautos nicht nur während der Rushhour. Die «Tube» - das älteste U-Bahn-System der Welt - ist im Berufsverkehr hoffnungslos überfüllt, das Fahrradfahren bleibt trotz einiger neuer Rad-Schnellwege auf vielen Strassen gefährlich. Khan zufolge wirkte die neue Regelung schon, bevor sie in Kraft war. Tausende hätten ein neues Auto gekauft, um die Maut zu sparen.
Eine Gebühr für die Einfahrt in Innenstädte war auch in der von der Bundesregierung eingesetzten Verkehrskommission im Gespräch - allerdings ging es dort nicht um Stickoxide, sondern um Klimaschutz, und die Experten waren sich auch nicht einig, ob eine «Infrastrukturabgabe» der richtige Weg sei. Die Entscheidung darüber müssten gegebenenfalls die Kommunen treffen, hiess es Ende März.
Die deutschen Städte und die Bundesregierung versuchen auf anderen Wegen, die Luftverschmutzung in den Griff zu kriegen. Sie setzen etwa auf die Verbesserung der Abgasreinigung bei Pkw, Bussen, Müllabfuhr und Transportern. Wer ein saubereres Auto kauft, kann einen Extra-Rabatt bekommen. Der öffentliche Nahverkehr soll gestärkt und der Verkehrsfluss besser gesteuert werden. Die NO2-Belastung sinkt zwar, liegt aber vielerorts trotzdem noch deutlich über dem EU-Grenzwert. In Hamburg sind deshalb schon zwei Strassenabschnitte für ältere Diesel gesperrt, in Stuttgart ein grosser Teil der Stadt.
In London dürfen weiterhin alle unterwegs sein, aber viele müssen zahlen. Es trifft vor allem Dieselfahrer: Die Gebühr wird fällig für Diesel der EU-Abgasnormen Euro 0 bis 5, die bis September 2015 erstmals zugelassen wurden. Benziner der Abgasnorm Euro 0 bis 3 sind ebenfalls betroffen, diese wurden bis Ende 2005 erstmals zugelassen. Auch Motorradfahrer werden zur Kasse gebeten, wenn ihr Fahrzeug der Norm Euro 0 bis 2 entspricht. Die Umwelt-Abgabe wird rund um die Uhr fällig, die City-Maut dagegen nur werktags zwischen 7.00 Uhr und 18.00 Uhr gilt. Kontrolliert wird mit Kameras.
Zahlen kann man unter anderem per App oder Telefon, Informationen dazu gibt es auf der Homepage des öffentlichen Nahverkehrs, «Transport for London». Die neue Umweltzone soll zunächst deckungsgleich mit der City-Maut sein und im Oktober 2021 ausgeweitet werden. Für Wohnmobile und Vans gibt es zusätzliche Gebühren im Grossraum London, Infos zur Registrierung und Zahlung gibt es für Touristen unter anderem beim ADAC.
Deutsche Umweltschützer lobten das Londoner Modell: «Die weitere Verschärfung der Londoner Umweltzone ist ein Vorbild für viele, ähnlich belastete Metropolen in Europa», sagte etwa Jürgen Resch, der Chef der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Daniel Rieger vom Naturschutzbund Nabu sagte, es sei «gut vorstellbar», dass das Modell Schule mache, «wenn es auf anderem Wege nicht gelingt, die Menschen zum Umsteigen auf umweltfreundliche Verkehrsmittel zu bewegen».