Parlamentswahl in den Niederlanden - Mit wem regiert Rutte?
Bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden geht die VVD wohl erneut als Sieger hervor. Ministerpräsident Mark Rutte braucht jedoch Koalitionspartner.
Das Wichtigste in Kürze
- Die niederländische VVD um Ministerpräsident Rutte bleibt nach den Wahlen stärkste Kraft.
- Für die Regierungsbildung braucht die Partei allerdings Koalitionspartner.
- Bündnisse von Mitte-Links bis Mitte-Rechts wären möglich.
Unter erschwerten Corona-Bedingungen haben die Niederländer am Mittwoch ein neues Parlament gewählt. Der seit über zehn Jahren amtierende Ministerpräsident Mark Rutte steuerte dabei nach Umfragen auf einen Sieg zu.
Seine rechtsliberale Partei VVD kann damit rechnen, unangefochten stärkste Kraft zu werden. In der zersplitterten niederländischen Parteienlandschaft bedeutet dies allerdings auch nur zwischen 20 und 25 Prozent der Stimmen bedeutet. Rutte ist deshalb weiterhin auf mehrere Koalitionspartner angewiesen.
Mitte-Links oder Mitte-Rechts?
Das Abschneiden der anderen Parteien könnte darüber entscheiden, ob die künftige Regierung eher ein Mitte-Rechts- oder ein Mitte-Links-Kabinett wird. Um den zweiten Platz hinter Ruttes VVD zeichnete sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab: Die Partei des Rechtspopulisten Geert Wilders und die linksliberalen D66 unter Spitzenkandidatin Sigrid Kaag liegen etwa gleichauf.
Bisher regierte Rutte mit D66, der christdemokratischen CDA und der kleinen ChristenUnie. Denkbar wäre aber auch eine Mitte-Links-Regierung etwa mit den Sozialdemokraten und den Grünen.
Die wichtigsten Themen für die Wähler waren nach Umfragen der Zustand des Gesundheits- und Pflegesystems, die gestiegenen Mieten und Preise für Eigentumswohnungen, Klima und Umwelt sowie die Corona-Bekämpfung. Fast alle grossen Parteien haben für die Zukunft «mehr Staat» versprochen. In der Corona-Pandemie waren unter anderem Schwächen des Gesundheitswesens offenkundig geworden. So wurden niederländische Corona-Patienten in nordrhein-westfälischen Krankenhäusern aufgenommen.
Spezielles Corona-Wahlprozedere
Um wegen Corona für mehr Abstand zu sorgen, richteten die Niederländer Wahllokale an ungewöhnlichen Orten ein. So zum Beispiel in der Neuen Kirche in Delft, in der sich die Gruft der Königsfamilie befindet. In Den Haag wählte etwa der grüne Spitzenkandidat Jesse Klaver im Kunstmuseum mit Gemälden des Malers Piet Mondrian. In Utrecht gaben Wähler ihre Stimme in einem Friedhofsgebäude ab, in Arnheim in einem ehemaligen Gefängnis.
Angehörige von Risikogruppen konnten bereits am Montag und Dienstag wählen. Nach einer Umfrage war mit einer ähnlich hohen Wahlbeteiligung wie vor vier Jahren zu rechnen, etwa 82 Prozent.
Um 15.45 Uhr hatte nach Schätzungen zufolge die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme angegeben. Insgesamt waren 13 Millionen Bürger des Königreichs aufgerufen, die 150 Abgeordneten der Zweiten Kammer des Parlaments zu wählen.
37 Parteien stellen sich zur Wahl – ein neuer Rekord. Nach den Umfragen könnten 17 von ihnen in die Zweite Kammer einziehen, davon acht mit weniger als fünf Prozent. In den Niederlanden gibt es keine Fünf-Prozent-Hürde, daher ist auch eine absolute Mehrheit für eine Partei faktisch unmöglich.
Lockdown seit Dezember
Die Niederlande befinden sich seit Mitte Dezember im Lockdown. Seit Ende Januar gilt auch eine Ausgangssperre. Mehr als 16 000 Menschen starben in Verbindung mit Covid-19, und die Infektionsraten sind seit Wochen hoch. Doch trotz regelmässiger Demonstrationen steht aber noch immer eine Mehrheit der Bürger hinter der Corona-Politik der Regierung.
Koalitionsverhandlungen gestalten sich in den Niederlanden traditionell langwierig und kompliziert, weil daran immer vier oder fünf Parteien beteiligt sind. Rutte drängt aber darauf, dass es diesmal schneller gehen müsse: «Ich hoffe, dass sich jeder durch Corona im klaren darüber ist, dass wir schnell etwas haben müssen», sagte er.
Nur am Rande spielte die jüngste grosse Affäre um Kinderbeihilfen eine Rolle. Die Steuerbehörden hatten jahrelang Zehntausende Eltern zu Unrecht als Betrüger dargestellt. Sie mussten jeweils Zehntausende Euros bezahlen. Wegen der Affäre trat die Regierung Rutte im Januar zurück und ist seitdem nur noch geschäftsführend im Amt.