«Revolution Chemnitz»: Rechte Terrorverdächtige vor Gericht

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Deutschland,

Sie wollten die deutsche Geschichte verändern und eine Systemwende herbeiführen. Das jedenfalls wirft der Generalbundesanwalt der rechtsextremen «Revolution Chemnitz» vor - die mutmasslichen Rechtsterroristen schweigen im Gericht zu den Vorwürfen.

Revolution Chemnitz
Ein Angeklagter wird im Oberlandesgericht Dresden zu Prozessbeginn in den Verhandlungssaal geführt. - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Tätowierungen, die Haare kurz geschoren oder kahlköpfig - im Prozess gegen die rechte Gruppierung «Revolution Chemnitz» tragen die Angeklagten sichtbar ihre Gesinnung in den Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden.

Einige am Montag vermummt mit schwarzen Hoodies oder Jacken und Kapuze über dem Kopf, andere mit einer aufgeklappten blauen Aktenmappe vor dem Gesicht, bis die Reporter mit Kameras den Raum verlassen müssen. Nach Überzeugung der Bundesanwaltschaft sollen die acht Männer aus dem Raum Chemnitz im September 2018 die Vereinigung «Revolution Chemnitz» gegründet, den gewaltsamen Umsturz der demokratischen Ordnung der Bundesrepublik geplant und dabei auch vor Mord und Totschlag nicht zurückgeschreckt haben.

Rückblende: Ende August wird am Rande des Chemnitzer Stadtfestes der 35-jährige Deutsche Daniel H. bei einer Auseinandersetzung erstochen - dafür werden Flüchtlinge verantwortlich gemacht. In den Tagen danach kommt es zu ausländerfeindlichen Attacken und Demonstrationen in der Stadt, bei denen neben bekennenden Rechtsextremisten auch die AfD mitmischt. Die verstörenden Bilder bringen Chemnitz in die Negativschlagzeilen und werden nach Ansicht von Bundesanwalt Kai Lohse auch zum Ausgangspunkt für «Revolution Chemnitz». Der mutmassliche Rädelsführer soll daraufhin den Entschluss gefasst haben, aus seiner Sicht «antideutschen Machenschaften» ein Ende zu bereiten.

Nach der Anklageschrift schlossen sich die Beschuldigten ab dem 10. September in einem Messenger-Dienst zusammen. Der Hauptangeklagte habe die Planung koordiniert, die Kommunikation geführt und die Ziele vorgegeben, sagte Bundesanwalt Lohse. Die Anklage attestiert den 21- bis 32-jährigen Männern «eine ausländerfeindliche, rechtsextreme und offen nationalsozialistische Gesinnung». Sie hätten sich teils aus ihrer Jugendzeit oder auch aus gemeinsamen Haftzeiten gekannt, seien zudem durch die Hooligan-Szene gut vernetzt. Die Ermittler sahen eine fortwährende Radikalisierung.

Am 3. Oktober 2018, dem Tag der Deutschen Einheit, sollte erstmals der «Systemwechsel» versucht werden. Die Gruppe habe Jagd auf Andersdenkende machen wollen und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für «nicht hinnehmbare Zustände» in Deutschland verantwortlich gemacht. «Sie wollten die Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verändern, eine Systemwende herbeiführen», hielt Lohse den Angeklagten vor. Es sei um gezielte und effektive Schläge gegen Linke und «Merkel-Zombies» gegangen.

Auch die Beschaffung von Schusswaffen sei erwogen, ein Bürgerkrieg als notwendige Folge des Handelns angesehen worden. Dagegen sollten die Taten der Terrorgruppe «Nationalsozialistischer Untergrund» (NSU) wie die einer «Kindergarten-Vorschulgruppe» erscheinen.

Zum Abschluss des ersten Verhandlungstages verlas das Gericht einen Teil der Chat-Protokolle der Gruppierung. Daraus wurde deutlich, dass sich der mutmassliche Rädelsführer durchaus der Folgen geplanter Straftaten bewusst war. «Ich bin zu allem bereit und mir der Gefahren und Konsequenzen bewusst», heisst da etwa. Es sei an der Zeit, nicht nur Worte sprechen zu lassen, sondern Taten. Man stehe zusammen und falle zusammen. Wenn am 3. Oktober nicht von allein die «Systemwende» komme, bringe man den Stein ins Rollen. Wiederholt verabschiedeten sich die Teilnehmer in den Chats mit der Zahl 88 - die entsprechend dem achten Buchstaben im Alphabet für «Heil Hitler» steht.

Was genau am 3. Oktober geschehen sollte, bleibt auch in der Anklage im Dunkeln. Den Überfall auf eine Gruppe Jugendlicher am Rande einer Demonstration der rechtsextremistischen Bewegung Pro Chemnitz als selbst ernannte Bürgerwehr am 14. September halten die Ermittler für den «Probelauf». Fünf der Beschuldigten attackierten damals auf der Schlossteichinsel in Chemnitz Ausländer und Andersdenkende. Ein Iraner wurde verletzt. Die Polizei nahm die Männer noch am gleichen Abend fest, der Hauptbeschuldigte ist seitdem in Untersuchungshaft. Seine Mitstreiter wurden dann am 1. Oktober aus dem Verkehr gezogen.

Die Beschuldigten wollten sich zum Prozessauftakt nicht äussern. Der Verteidiger des jüngsten von ihnen, Daniel Sprafke, sagte zu dem Prozess, es gebe «eine politische, eine Meinungskomponente»: «Man muss darauf achten - aber ich vertraue da dem Hohen Senat - dass alleine die politische Gesinnung nicht dazu führt, jemanden als Rechtsextremen oder Rechtsterroristen zur Verurteilung zu bringen.» Bundesanwalt Lohse wies die Anschuldigung zurück, die Anklage sei politisch motiviert.

Die meisten Plätze für Zuschauer in dem speziell gesicherten Prozessgebäude des OLG für derartige Verfahren blieben leer, das Medieninteresse war erwartet gross. «Niemand bestreitet, dass terroristische Anschläge schwerste Verbrechen darstellen», sagte der Dresdner Strafverteidiger Hansjörg Elbs Journalisten in der Pause. Er warf dem Generalbundesanwalt einseitige Ermittlungen vor, durch Unterlassen solle «die Unwahrheit zur Wahrheit» gemacht werden.

Eine Strafbarkeit beginne nicht erst, wenn ein Anschlag oder eine Gewalttat ausgeführt wurde, sagte Lohse. «Sondern die Schwelle zur Strafbarkeit ist bereits überschritten, wenn bestimmte gefahrerhöhende Momente im Vorfeld stattfinden.»

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