Waffenruhe für Berg-Karabach – Beide Seiten berichten von Verstössen
Ab Samstagmittag sollte zwischen Armenien und Aserbaidschan ein Waffenstillstand gelten. Dieser wurde allerdings von beiden Seiten nicht eingehalten.
Das Wichtigste in Kürze
- Armenien und Aserbaidschan haben sich eigentlich auf eine Waffenruhe geeinigt.
- Bereits heute Samstag seien in der Region Berg-Karabach aber wieder Schüsse gefallen.
- Beide Seiten beschuldigen den Anderen, sich nicht an die Abmachung gehalten zu haben.
Nach den schwersten Gefechten seit Jahrzehnten haben sich die Nachbars-Feinde Armenien und Aserbaidschan in der Region Berg-Karabach auf Waffenruhe geeinigt. Allerdings warfen sich beide ehemalige Sowjetrepubliken kurz nach Beginn der Feuerpause am Samstag gleich wieder gegenseitig vor, dagegen zu verstossen.
Kämpfe sollten seit Samstagmittag ruhen
Russland, das die Einigung vermittelt hatte, sprach dennoch von einem ersten Schritt in Richtung Frieden. Die Krise im Süden des Kaukasus hat international grosse Sorge ausgelöst. Die Feuerpause kam nach mehr als zehnstündigen Verhandlungen unter Vermittlung des russischen Aussenministers Sergej Lawrow zustande.
Beteiligt waren die Aussenminister aus Aserbaidschan und Armenien, Jeyhun Bayramov und Sohrab Mnazakanjan. Seit Samstagmittag sollen die Kämpfe nun ruhen, damit Gefangene ausgetauscht und tote Soldaten in die Heimat überstellt werden können.
Zivilisten getötete und tausende Flüchtende
Seit Beginn der neuen Gefechte in Berg-Karabach Ende September wurden auf beiden Seiten mehrere Hundert Menschen getötet. Allein auf armenischer Seite sollen mehr als 400 Soldaten gefallen sein.
Aserbaidschan macht bislang keine Angaben zu Verlusten in den eigenen Truppen, spricht aber von etwa 30 getöteten Zivilisten. Zudem sind Tausende auf der Flucht. Das Auswärtige Amt in Berlin appellierte am Samstag an beide Seiten, den Waffenstillstand einzuhalten und weitere Opfer «unbedingt zu vermeiden».
Lob für die Verhandlungen
Lawrow bezeichnete die erzielte Vereinbarung als Grundlage für weitere Verhandlungen. Dies unter der Führung der sogenannten Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Die Gruppe wird von Russland, den USA und Frankreich angeführt.
Dass Russland beide Seiten überhaupt an den Verhandlungstisch brachte, wurde auch von unabhängigen Kommentatoren gelobt. Lawrows Sprecherin Maria Sarachowa nannte ihren Chef einen «Maestro» der Verhandlungen.
Pause ist kein echtes Friedensabkommen
Ob die Feuerpause langfristig Entspannung bringen wird, ist aber vollkommen offen – wenn sie überhaupt hält. Die Moskauer Erklärung sei eigentlich ohne Alternative, sagte der russische Politologe Arkadi Dubnow.
Sowohl das arme Armenien als auch das ölreiche Aserbaidschan verfügten nicht über genug Ressourcen, um die Gefechte länger fortzusetzen. Nur deshalb hätten sich beide auf Verhandlungen eingelassen. «Äusserst schwierig wird es aber, beide zu einem echten Friedensabkommen zu bringen», sagte Dubnow im Radiosender Echo Moskwy.
Eigentliche Waffenruhe hat noch nicht begonnen
Die Lage war auch nach Verkündung der Feuerpause extrem angespannt. Die armenische Armeesprecherin Schuschan Stepanjan sprach kurz nach Beginn von aserbaidschanischen Angriffen. Das Nachbarland ignoriere die Vereinbarung, worauf die Streitkräfte von Berg-Karabach mit «angemessenen Massnahmen» reagieren müssten.
Aserbaidschan hingegen warf Armenien vor, mit Artilleriefeuer auf zahlreiche Orte begonnen zu haben. Alle Angriffe seien abgewendet worden. Die eigentliche Waffenruhe habe noch nicht begonnen.