Wirtschaftsprofessor: Schweiz soll Grossbritannien genau beobachten

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Belgien,

Rolf Weder, Professor für Aussenwirtschaft an der Universität Basel, vergleicht Grossbritannien mit der Schweiz: Was können wir von den Briten lernen?

Am 31. Januar 2020 hat das Vereinigte Königreich die EU verlassen. Aktuell finden Verhandlungen über ein Handelsabkommen statt. Diese sind jedoch nicht sehr erfolgreich, wie EU-Chefunterhändler Michel Barnier am letzten Freitag in Brüssel zugab. (Archiv)
Am 31. Januar 2020 hat das Vereinigte Königreich die EU verlassen. Aktuell finden Verhandlungen über ein Handelsabkommen statt. Diese sind jedoch nicht sehr erfolgreich, wie EU-Chefunterhändler Michel Barnier am letzten Freitag in Brüssel zugab. (Archiv) - sda - KEYSTONE/EPA SKY NEWS/TIM P. WHITBY / SKY NEWS HANDOUT

Das Wichtigste in Kürze

  • Grossbritannien verhandelt derzeit mit den USA und mit der EU über Freihandelsabkommen.
  • Der Inselstaat bringt sich in eine gute Situation, findet Rolf Weder von der Uni Basel.
  • In welche Richtung entwickelt sich das europäische Wirtschaftssystem nach dem Brexit?

Das Vereinigte Königreich verhandelt mit den USA über ein Freihandelsabkommen. «Damit sendet London Richtung Brüssel das Signal aus: Wir haben Alternativen zu euch», sagt Weder.

Ausserdem hatte auch die EU dereinst selbst versucht, ein umfassendes Handelsabkommen - bekannt als TTIP - mit Washington auszuhandeln. Das Vorhaben wurde aber wegen grossem öffentlichem Widerstand auf Eis gelegt.

«Auch Bern will schon lange ein Freihandelsabkommen mit Washington», sagt Weder. Dieses sei jedoch am Widerstand vor allem der Bauern gescheitert. «Gesamtwirtschaftlich würde sich ein Freihandelsabkommen mit den USA positiv auswirken.» Daher sei die Schweiz gut beraten, das Verhalten von Grossbritannien genau zu beobachten.

Freihandelsabkommen: EU, USA, oder beide?

Für das Vereinigte Königreich ist die EU immer noch der wichtigste Handelspartner. Gemäss dem britischen statistischen Amt exportierte es 2019 Güter und Dienstleistungen im Wert von 296,8 Milliarden Pfund in die EU. In die USA waren es im gleichen Zeitraum 133,7 Milliarden Pfund.

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Der Premierminister Grossbritanniens, Boris Johnson. (Archivbild) - Keystone

Käme es schliesslich zu Handelsabkommen mit den USA und der EU, dann sei dies kein Problem. Ein Land könne mehrere Freihandelsabkommen mit Partnerländern haben, die über unterschiedliche Standards verfügen, sagt Weder mit Blick auf die Schweiz. Sie hat zurzeit etwa 35 Freihandelsabkommen: Die meisten bestehen mit der Europäischen Freihandelszone EFTA, zu der auch Norwegen, Liechtenstein und Island gehören.

Falls Grossbritannien sich entscheiden sollte, seine Standards weiterhin an denjenigen der EU zu orientieren: Die Briten können trotzdem mit den USA ein Freihandelsabkommen abschliessen. Ursprungsregeln werden verhindern, dass Güter aus den USA über Grossbritannien in die EU gelangen.

EFTA als echte EU-Alternative?

Käme tatsächlich ein Freihandelsabkommen zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA zustande, stellt sich für Weder eine Frage: Wäre es für die Schweiz nicht von Vorteil, sich anzuschliessen - eventuell über eine reformierte EFTA?

«Diese Länder würden dann wirtschaftlich miteinander kooperieren, ohne politisch integriert zu sein, wie das in der EU der Fall ist.» Dies würde den Wettbewerb in Europa beleben. Der alternative Club könnte ein «attraktives Gefäss für andere Länder» sein.

«Für die EU selbst wäre es natürlich eine Herausforderung.» Gleichzeitig könnte es eine positive Auswirkung haben. «Denn wie wir feststellen müssen, ist die EU nicht sehr reformfreudig, möglicherweise aber hilft der Druck von aussen. Und das wäre gut für ganz Europa», sagt Weder.

Starke WTO wäre im Interesse der Schweiz

Ob und mit wem Grossbritannien am Ende ein Freihandelsabkommen abschliessen wird, ist zurzeit offen. Am Freitag ging erneut eine Verhandlungsrunde zwischen Brüssel und London ohne nennenswerte Fortschritte zu Ende. Zudem lehnen es die Briten bis jetzt ab, die Übergangsphase zu verlängern, die mehr Zeit für eine Einigung brächte.

welthandelsorganisation
Mitarbeitende in einem Gebäude der Welthandelsorganisation (WTO). (Archivbild) - Keystone

Damit steigt allenfalls der Druck auf die EU, Konzessionen zu machen. Aber auch ein No-Deal-Brexit im Dezember wird dadurch wahrscheinlicher. Bei letzterem würden dann nur noch die Marktzugangsregeln der Welthandelsorganisation (WTO) zwischen der EU und Grossbritannien gelten. Die WTO hat jedoch in den letzten Jahren stark an Bedeutung eingebüsst.

«Gerade im Falle eines No-Deal-Brexit wäre es wichtig für die Briten, sich für eine Stärkung der WTO einzusetzen», sagt Weder. Eine starke WTO sei auch im Interesse der Schweiz.

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