Wladimir Putin: Diese Ziele hat er jetzt
Mit mindestens 87 Prozent der Stimmen hat Wladimir Putin die Präsidentenwahl gewonnen. Experten schätzen ein, was er in der nächsten Amtszeit vorhat.
Das Wichtigste in Kürze
- Wie erwartet erhält Wladimir Putin bei der «Wahl» in Russland den Grossteil der Stimmen.
- Experten glauben, dass er den Krieg in der Ukraine in die Länge ziehen will.
- Zudem werde Putin den Einfluss des Geheimdienstes weiter stärken.
Die dreitägige, von Manipulationsvorwürfen begleitete Präsidentenwahl in Russland ist beendet. Wie erwartet fährt Wladimir Putin einen haushohen Sieg ein: Er soll laut Prognosen auf rund 88 Prozent der Stimmen kommen.
Doch was hat der russische Machthaber in seiner fünften Amtszeit vor? Laut Angela Stent, leitende Beraterin am United States Institute of Peace, will er den Ukraine-Krieg weiterführen und immer weiter vormarschieren.
«Ich denke, dass es ihm darum ging, Russlands Rolle in der Welt und Russlands territoriale Integrität zu erhalten. Alles, was er signalisiert hat, ist, dass er den Krieg fortsetzen wird», sagt sie dem «Wall Street Journal».
Neue Teilmobilmachung und Offensive in den nächsten Monaten?
Nicolas Hayoz, Osteuropa-Experte und Professor an der Universität Freiburg, glaubt nicht, dass es deswegen zu mehr Mobilmachungswellen kommt. «Wladimir Putin hat schon mobilisiert», erklärt er auf Anfrage von Nau.ch. Putin werde versuchen, den Ukraine-Krieg in die Länge zu ziehen.
Russland-Experte Ulrich Schmid von der Universität St. Gallen glaubt hingegen, dass «die neue Teilmobilmachung wahrscheinlich in den nächsten Monaten kommen wird». Putin fühle sich zurzeit selbstsicher. Dennoch hält Schmid auf Anfrage fest: «Gleichzeitig weiss er um die gesellschaftliche Ablehnung einer neuen Mobilisierung.»
Hayoz unterstreicht: «Gewinnen kann er den Krieg nicht – sofern der Westen die Ukraine jetzt tatsächlich stärker unterstützen wird.» Aber Putin werde «auch horrende Verluste an Soldaten und so weiter verkraften und auch Niederlagen als Sieg darstellen. Der desaströse Krieg gehört zur grossen Obsession Putins, von der er sich nicht lösen wird und kann.»
Schmid ist überzeugt, dass der russische Präsident in der Ukraine eine neue Offensive lancieren wird. «Um sein Minimalziel der militärischen Kontrolle über die vier im Oktober 2022 annektierten Gebiete zu erreichen.»
Wladimir Putin wird Machtsystem stärken wollen
Innenpolitisch werde Putin gemäss Hayoz sein Machtsystem noch stärken wollen. «Das impliziert wahrscheinlich auch, dass Teile der innersten Machtelite verjüngt werden müssen.» Man müsse mit personellen Veränderungen auf Regierungsebenen und im innersten Zirkel seines Systems rechnen.
Und: «Der Einfluss der Sicherheitskräfte, vor allem des Geheimdienstes wird verstärkt werden. Das ganze System wird auch stärker ‹patriotisch› auf den Krieg, auf die Kriegswirtschaft ausgerichtet werden.» Er werde sich mit den Auswirkungen des Krieges auf die Gesellschaft und die Wirtschaft beschäftigen müssen.
Laut Schmid werde Putin das Wahlergebnis nicht nur als Mandat für die Fortsetzung aussenpolitischer Aggression interpretieren. Sondern auch als Mandat für die Fortsetzung innenpolitischer Repression.
«Repressiver ist kaum noch möglich»
Dass Putins System noch repressiver wird, glaubt Hayoz aber nicht. Denn: «Das System hat schon totalitäre Züge in der Kontrolle der öffentlichen Kommunikation. Und in der Repression und Marginalisierung von abweichenden Meinungen. Repressiver ist kaum noch möglich.»
Putins manipulierte Scheinwahl imitiere die westliche Demokratie. Um zu zeigen, dass Wladimir Putin die notwendige Legitimität habe, um den eingeschlagenen Kurs fortzusetzen.
«Im Grunde ist das Volk nebensächlich. Putin inszeniert und konstruiert sein System der absoluten Macht völlig unabhängig vom Volk», erklärt der Osteuropa-Experte. Das Volk selbst dürfe nur «als abstrakte Grösse zur Legitimitätsbeschaffung herhalten».