Corona: Welchen Einfluss die Altersstruktur auf die Toten-Zahl hat

Das Coronavirus verbreitet sich in verschiedenen Regionen ganz anders, als von Experten erwartet. spielt etwa die Altersstruktur eine Rolle?

Senioren werden über den Krankheitsverlauf des Coronavirus informiert. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine neue These zum Coronavirus lautet: In Staaten mit vielen Senioren gibt es mehr Tote.
  • Die niedrigere Todesrate sowie Anzahl Senioren in Länder wie Nigeria bestätigen die These.

In Pflegeheimen herrscht Besuchsverbot und Enkel bleiben zuhause - Omis Gesundheit zuliebe. Während jüngere Menschen eine Infektion mit dem neuen Coronavirus oft kaum bemerken, kann es Ältere schwer treffen. Deshalb liegt der Schluss nahe: In Staaten mit vergleichsweise vielen Alten gibt es mehr Tote. Doch so einfach ist es nicht.

Deutschland zeigt: Altersstruktur spielt nicht zwingendste Rolle

Demografie-Forschern zufolge spielt die Altersstruktur einer Bevölkerung beim Coronavirus tatsächlich eine grosse Rolle. Wenn zwei Gesellschaften vergleichbare Gesundheitsstandards haben, werden in einer älteren Gesellschaft mehr Menschen sterben als in einer jüngeren. So Mikko Myrskylä, Direktor des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock.

Eine Rettungssanitäterin entnimmt in einem Zelt in Berlin einem Patientin Blut - für den möglichen Nachweis von Antikörpern gegen das Coronavirus. Foto: Kay Nietfeld/dpa - dpa-infocom GmbH

Doch gerade das Beispiel Deutschland zeigt, dass die Altersstruktur nicht zwingend die grösste Rolle spielt: Wir leben in einer der greisesten Gesellschaften der Welt, rund ein Viertel der Bevölkerung ist 65 Jahre oder älter. Die Sterberate ist hierzulande verglichen mit der in europäischen Nachbarstaaten aber deutlich niedriger, zumindest derzeit noch. Trotz ähnlicher Altersstrukturen.

Haushalte mit mehreren Generationen besonders gefährdet

Ein Grund für die vielen Toten in Italien und Spanien sei, dass dort häufig mehrere Generationen zusammen leben, sagt Myrskylä. Ältere Menschen seien so viel stärker einem Infektionsrisiko ausgesetzt als etwa in Deutschland. Denn dort leben Grosseltern generell getrennt von den Enkelkindern. Gérard Krause, Epidemiologe am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, hält diese Erklärung für plausibel, sie lasse sich aber nicht beweisen.

Mitglieder der Katastrophenschutz- und Staatssicherheitskräfte beginnen mit der Verteilung von 372'000 Gesichtsmasken. In Spanien steht die erste Lockerung der strikten Ausgehbeschränkungen für die fast 47 Millionen Einwohner an. - dpa

Wie viele Menschen in einer Gesellschaft an dem neuartigen Coronavirus sterben, hängt laut Experten von verschiedenen Faktoren ab. Den grössten Einfluss habe generell, wie viele Menschen einer Gesellschaft insgesamt mit dem Virus infiziert sind, sagt Myrskylä. Betrachtet man die Infizierten, hänge die Zahl der Todesfälle neben dem Alter auch von beispielsweise der Gesundheitsversorgung ab. Verschiedene Studien geben zudem Hinweise darauf, dass es möglicherweise einen Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und schwereren bis tödlichen Covid-19-Verläufen gibt.

Junge Bevölkerung ein «Puffer» für Coronavirus?

In Nigeria etwa sind laut Daten des US-Geheimdienstes CIA nur 3 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre alt. Maximilian Gertler von Ärzte ohne Grenzen glaubt, dass die oftmals eher junge Bevölkerung vorübergehend ein Puffer sein kann. Es gebe aber weitere Faktoren, die einen viel stärkeren Einfluss auf die Entwicklung der Pandemie auf dem afrikanischen Kontinent hätten.

In Indien gilt eine wegen des Coronavirus verhängte Ausgangssperre. Lebensmittelläden, Apotheken und Banken sind weiterhin geöffnet. Foto: Rajanish Kakade/AP/dpa - dpa-infocom GmbH

So sei mehr Distanz beispielsweise in grossen Armenvierteln keinesfalls so umsetzbar wie hierzulande. Der Zugang zu sauberem Wasser sei teilweise nur an Brunnen ausserhalb der eigenen Wohnung möglich. Auch das Arbeiten von zuhause sei für einen Grossteil der Menschen - Wanderarbeiter, Händler, Taxifahrer - keine Option. Zudem mangle es oft an Desinfektionsmitteln, Seife und Schutzmaterial, sagt der Epidemiologe vom Tropeninstitut der Berliner Charité.