Die Uhr, die in Milliarden Jahren zu spät tickt

Forscher haben einen wichtigen Schritt in Richtung Atomkernuhr bewältigt. Doch: Wofür eigentlich?

Über dem Kopf vergeht die Zeit schneller als am Handgelenk: Zeit lässt sich von Masse beeinflussen – das kann eine Atomkernuhr messen. - Flickr/Alexander Burghardt

Das Wichtigste in Kürze

  • Heutige Atomuhren sind Billionen Mal genauer als eine Armbanduhr.
  • Forschende wollen eine noch genauere Uhr und sind ihrem Ziel nun näher gekommen.
  • Atomkernuhren können zum Beispiel helfen, dunkle Materie genauer zu erforschen.

Atomuhren sind die präzisesten Uhren der Welt. Gemäss Berechnungen gehen sie in 30 Milliarden Jahren nur um eine einzige Sekunde falsch. Der Wissenschaft ist das aber nicht genug, denn noch präzisere Uhren könnten helfen, Phänomene wie die dunkle Materie besser zu erforschen.

Deutsche und österreichische Forschende haben nun eine wichtige Hürde überwunden. Das Ziel: eine Atomkernuhr. Dies schreiben sie in der Fachzeitschrift Nature.

Licht als Taktgeber

Atomkernuhr: Diese tönt nicht nur abgespaced, sie ist es auch. Taktgeber sind Lichtwellen, die ein Atomkern aussendet, wenn er zwischen Anregungszuständen wechselt. Einfach gesagt: Der Atomkern arrangiert sich immer wieder neu und leuchtet dabei kurz auf. Die Frequenz des Leuchtens gibt den Takt an. Je schneller der Takt, desto präziser die Uhr.

Schwierig daran: Normalerweise wissen wir nicht, wann der Kern den Zustand wechselt und er tut es auch nicht beständig. Er kann aber dazu angeregt werden – und zwar durch Licht. Die meisten Atomkerne verfügen jedoch über so hohe Energie, dass das Licht, das zum Anregen benötigt würde, von keinem Laser dieser Welt erzeugt werden könnte.

Mit einer Ausnahme: Ein spezielles Isotop, also eine Atomart, des chemischen Elements Thorium 229. Denn dessen Kern besitzt das niedrigste angeregte Energieniveau aller derzeit bekannten etwa 3800 Atomkerne. Nun haben die Forschenden endlich, unter aufwändigen Verfahren, die Lichtfrequenz ermittelt, unter der Thorium angeregt werden kann. Bahn frei also für die Thorium-Atomkernuhr.

Zeit läuft nicht immer gleich

Die Uhr, die daraus entstehen könnte, wäre rund zehn Mal präziser als heutige Atomuhren, welche durch Elektronen getaktet werden. Es wäre ein extrem sensitives Messinstrument. «Die Uhr zeigt die Zeit genauer an als bisherige Uhren», sagt Benedict Seiferle, Erstautor der Studie. Denn Zeit läuft nicht immer gleich schnell ab.

Dies besagt die allgemeine Relativitätstheorie. Denn Zeit ist nicht ewig gleich und unabhängig, so wie wir sie uns normalerweise vorstellen. Sie ist eigentlich dynamisch und lässt sich von Masse beeinflussen. Das klingt absurd, lässt sich aber bereits heute mit hochpräzisen Uhren messen: So tickt eine Uhr, die auf dem Boden platziert wird, minimal langsamer als eine, die auf dem Tisch steht – denn jene am Boden wird durch die Masse der Erde, also durch deren Gravitation, stärker beeinflusst.

Weil eine Atomkernuhr genauer wäre, liessen sich diese Phänomene mit ihr besser untersuchen als mit heutigen Uhren. Zum Beispiel schwebt Forschenden ein weltweites Netz aus hochpräzisen Uhren vor, mit dem erfasst werden könnte, wenn die Erde sich durch dunkle Materie, die über viel Masse verfügt, bewegen würde. D

ann würden die Uhren an der Eintrittsstelle anders laufen, als die anderen. Auch das Gravitationsfeld der Erde könnte noch viel genauer als heute vermessen werden. Und zu guter Letzt würde auch die Navigation via GPS noch präziser.

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«Nau forscht»

Im Rahmen dieser Serie erscheint jeden Sonntag ein exklusiver Beitrag des Wissenschaftsmagazins «higgs».

Dieser Beitrag wurde verfasst von Katrin Schregenberger.