Darum ist die Debatte zum Brexit im britischen Unterhaus spannend

Kein Plan beim Brexit? Macht nichts! Trotzdem ist die Debatte im britischen Unterhaus absolut sehenswert. Besonders, wenn John Bercow das Wort ergreift.

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Youtube - Ausschnitte aus dem House of Commons bei der Abstimmung zum Brexit-Deal und der Misstrauensabstimmung gegen Premierministerin Theresa May in London

Das Wichtigste in Kürze

  • Die lange Geschichte des britischen Parlaments prägt den Stil der Debatten der Briten.
  • Eine gewichtige Rolle nimmt Parlamentssprecher John Bercow ein.
  • Die Queen darf das Unterhaus nicht betreten.

Nachdem Premierministerin Theresa May vor zwei Wochen mit ihrem Brexit-Deal kläglich gescheitert ist, wird heute Dienstag im britischen Parlament – dem House of Commons – über Änderungsanträge diskutiert. Nachdem über ein Dutzend Anträge behandelt wurden, wird ab etwa 20 Uhr darüber abgestimmt.

Die ganze Brexit-Thematik ist komplex – das ist klar. Trotzdem lohnt es sich einige Minuten der Debatte im britischen Unterhaus anzuschauen.

Es wird geschrien, gestritten, ausgebuht oder als Form des Beifalls «hear, hear» dazwischengerufen, bis die markante Stimme von Parlamentssprechers John Bercow zur Ordnung aufruft – «Order! Order!» Ein unterhaltsames Theaterstück – ginge es nicht um die Zukunft des Landes.

Der Parlamentssprecher des britischen Unterhauses John Bercow während der Abstimmung zu Theresa Mays Brexit-Plan. - keystone

Skurrile Bräuche im Unterhaus

Obwohl es im britischen Parlament bei hitzigen Debatten oft laut wird, die Abgeordneten bleiben immer förmlich – das verlangen die Regeln im Unterhaus. So dürfen Mitglieder des Rats immer nur in der dritten Person und mit «Honourable Member» oder «Honourable gentleman» angesprochen werden.

Bei einer Debatte dürfen die Abgeordneten erst sprechen, wenn der Speaker ihnen das Wort erteilt. Dabei ist der Beitrag an den Vorsitzenden gerichtet und wird mit «Mr. Speaker» eingeleitet.

Die Debatte vom 29. Januar 2019 im britischen Unterhaus.

Kommt es zu einer Abstimmung, wird der Antrag durch den Unterhaussprecher verlesen, woraufhin die Abgeordneten mit «Aye» oder «No» antworten. Ist das Ergebnis nicht klar, kommt es zu einer Abstimmung im Hammelsprungverfahren (Division).

Dazu verlassen die Abgeordneten die Kammer je nach Position durch die «Aye-Lobby» oder die «No-Lobby». Dabei werden sie erfasst. Die Teller überwachen die Zählung und geben daraufhin das Ergebnis vor dem Parlamentssprecher bekannt. Dieser bestätigt daraufhin das Ergebnis.

Vorder- und Hinterbänkler

650 Abgeordnete zählt das Unterhaus in der heutigen Form. Sie teilen sich ein Raum, der in etwa so gross ist wie der Schweizer Ständerat.

Unterteilt ist der Rat in Vorder- und Hinterbänkler. Vorne sitzten der Premierminister und seine Regierung – derzeit Theresa May und ihre Minister. Gegenüber sitzt das Schattenkabinett der Opposition – derzeit Oppositionsführer Jeremy Corbyn mit seinen Schattenministern aus der Labour-Partei.

Das House of Commons befindet sich im Westminster. Die Queen hat keinen Zutritt ins Unterhaus. - Keystone

Kein Zutritt für die Queen

Damit das Parlament tagen kann, muss der königliche Zeremonienstab (The Mace) auf seinem Platz in der Mitte der Kammer aufgebahrt sein. Zu Beginn des Sitzungstages wird er dort durch eine feierliche Prozession hingebracht.

Wird der Stab vom Platz entwendet, ist die Sitzung unterbrochen. Das kommt durchaus vor. Etwa, wenn ein Abgeordneter vehement protestieren will.

Seit dem englischen Bürgerkrieg ist Monarchen der Zutritt zum Unterhaus untersagt. Es gilt als Zeichen der Unabhängigkeit des Parlaments.