Stürzt Theresa May, werden Briten ins totale Brexit Chaos abrutschen

Heute Abend steht der Premierministerin Theresa May der wohl schwierigste Moment ihrer Politkarriere bevor. Ihre Partei könnte ihr das Vertrauen entziehen.

Theresa May muss sich einem Misstrauensvotum stellen. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Heute Abend entscheiden die Tories über Theresa Mays Zukunft.
  • Ihr droht das Amt der Parteivorsitzenden und des Premierministers entzogen zu werden.
  • Bereits mehrere Personen stehen für diesen Fall bereit.

Jetzt kommt es heute zum Showdown im britischen Parlament: Zwischen 19 Uhr und 21 Uhr MEZ werden die 315 Abgeordneten ihrer Partei über die Zukunft der Premierministerin Theresa May befinden. Dies, weil 48 Abgeordnete aus den Reihen ihrer eigenen Partei, den konservativen Tories, ein Misstrauensvotum beantragt haben. Sie wollen darüber abstimmen, ob May weierhin Parteichefin bleiben soll.

Was, wenn May gewinnt?

Sprechen genügend Tories-Abgeordnete May das Vertrauen aus, wird die 62-Jährige wohl das Land im kommenden März aus der EU führen. Denn mit gestärktem Rücken steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass May ihren Brexit-Deal im britischen Unterhaus doch noch durchbringt. Sie wäre zudem während mindestens 12 Monaten vor einem erneuten Misstrauensvotum sicher.

Theresa May muss sich einem Misstrauensvotum stellen. - dpa

Was, wenn May verliert?

Fällt der Entscheid gegen sie aus, wird sie sich auch als Premierministerin nicht mehr halten können. Dann wird das Amt des Parteivorsitzenden und damit des Premierministers innerhalb der Partei zur Wahl gestellt. Kandidaten dazu müssen von mindestens zwei Parteiabgeordneten vorgeschlagen werden.

Gibt es dazu mehrere Kandidaten, wählen die Tory-Abgeordneten solange, bis zwei Favoriten feststehen. Dann wird die Parteibasis per Briefwahl über den künftigen Premierminister bestimmen. Dieses Verfahren kann bis zu drei Monate dauern – also bis kurz vor dem endgültigen Brexit am 29. März 2019.

Die möglichen Kandidaten

Gleich mehrere Kandidaten innerhalb der Tories stehen bereit, sollte May heute gestürzt werden.

So etwa der ehemalige Aussenminister unter Theresa May, Boris Johnson. Schon vor seinem Rücktritt im Juli war er ein heftiger Kritiker von Mays Brexit-Kurs.

Boris Johnson, ehemaliger Aussenminister von Grossbritannien, spricht auf dem Parteitag der Konservativen Partei. - dpa

Der frühere Investmentbanker Sajid Javis gilt als das Gesicht des modernen, multikulturellen Grossbritanniens. Er gehört dem wirtschaftlich liberalen Flügel der Konservativen an und stimmte 2016 für einen Verbleib seines Landes in der Europäischen Union. Der Innenminister sicherte May am Mittwoch seine volle Unterstützung zu: May sei die «beste Person», um den Brexit sicherzustellen, erklärte er.

Die ehemalige Finanzjournalistin und verlässliche Unterstützerin von May Amber Rudd musste im April als Innenministerin zurücktreten. Kürzlich trat sie aber wieder ins Kabinett. Rudd hatte für den Verbleibt in der EU geworben.

Die britische Arbeitsministerin Amber Rudd tritt zurück und aus der Conservative Party aus. - Keystone

Der Brexit-Wortführer und Umweltminister Michael Gove hat sich ungeachtet aller Kritik hinter das von ihr ausgehandelte Austrittsabkommen mit der EU gestellt. Seine Rückendeckung ist für May von entscheidender Bedeutung.

Der 44-Jährige Dominic Raab folgte im Juli als Brexit-Minister auf David Davis. Raab trat im November zurück und bezeichnete das Brexit-Abkommen als «schlecht für unsere Wirtschaft und unsere Demokratie».

Auch der ehemalige britische Brexit-Minister Dominic Raab könnte Theresa May beerben. - Keystone

Aussenminister Jeremy Hunt war eigentlich für einen Verbleib Grossbritanniens in der EU. Allerdings kritisierte er das Auftreten Brüssels in den Verhandlungen um den Austritt später als «arrogant». Hunt warnte noch am Mittwoch vor einem Führungsstreit bei den Tories. «Premierminister zu sein ist derzeit der schwierigste Job, den man sich vorstellen kann», twitterte er.

Brexit-Chaos unausweichlich

Und damit dürfte Hunt nicht Unrecht haben. Mays letzte Chance heute Abend liegt darin, dass sich gar niemand an den Schleudersitz-Posten des Premierministers wagt. Denn klar ist: wird May gestürzt, wird ihr Nachfolger in einer noch delikateren Situation stecken, als May selbst. Sich da Lorbeeren abzuverdienen ist praktisch unmöglich.

Zudem wäre der Harte Brexit, also der EU-Austritt ohne Abkommen, wohl unausweichlich und den Briten droht das totale Chaos.