7. Oktober 2023: Schockwellen reissen in der Schweiz Gräben auf

Die Hamas richtete bei ihrem Terrorangriff ein Massaker mit rund 1200 Toten an. Der 7. Oktober und der darauf folgende Krieg haben Schockwellen bis in die Schweiz gesandt.

Eine Frau besichtigt den Ort, an dem am 7. Oktober 2023 beim Hamas-Angriff im Süden Israels Hunderte getötet und viele entführt wurden. (Archivbild) Foto: Leo Correa/AP/dpa - sda - Keystone/AP/Leo Correa

Der Terror-Überfall der islamistischen Hamas auf israelische Grenzgebiete am 7. Oktober 2023 und der darauf folgende Krieg in Gaza und im Libanon haben Schockwellen bis in die Schweiz gesandt. Die aufgerissenen Gräben bleiben ein Jahr danach tief.

Die Hamas richtete bei ihrem Terrorangriff vor Jahresfrist ein Massaker mit rund 1200 Toten an. Neben einem Festival nahmen die Terroristen im Grenzgebiet zwischen Gaza und Israel vorwiegend Zivilisten ins Visier.

Sie entführten rund 200 Geiseln, von denen die Hälfte unterdessen tot ist. Beim israelischen Gegenschlag starben im Gaza-Streifen nach Hamas-Angaben bisher 40'000 Menschen. Im Libanon sollen rund 1000 Menschen getötet worden sein.

In der Schweiz hatten der Terrorüberfall und seine Kriegsfolgen auf allen Ebenen Auswirkungen. So vervielfachten sich antisemitische Übergriffe und Beleidigungen. Der schwerste Übergriff datiert vom 2. März in Zürich, als ein radikalisierter Jugendlicher einen orthodoxen Juden mit Messerstichen schwer verletzte. Gleichzeitig nahmen Hunderte Studierender an Pro-Palästina-Kundgebungen und Universitätsbesetzungen teil.

Auf politischer Ebene blockiert der Bundesrat aufgrund israelischer Anschuldigungen die Zahlung von zehn Millionen Franken an das Uno-Palästinenserhilfswerk UNRWA. Andere Staaten haben diese Zahlungen längst wieder aufgenommen, da die Organisation alternativlos für die Bewältigung der schweren humanitären Krise im Gaza-Streifen ist.

Müller: «Verbrechen beim Namen nennen»

Geri Müller, ehemaliger grüner Nationalrat und Präsident der Gesellschaft Schweiz-Palästina, sagte der Nachrichtenagentur Keystone-SDA, die Schweiz habe von Anfang an einseitig Position für Israel bezogen. Dabei habe sie zahlreiche Grauzonen etwa in Bezug auf die Befehle der israelischen Armee am 7. Oktober ausgeblendet.

Bern wiederhole pausenlos das Mantra der Zwei-Staaten-Lösung, und gleichzeitig verweigere das Parlament die Anerkennung Palästinas als Staat. «Die Schweiz hat seit 1899 klar die Position des internationalen Rechts proklamiert, schert aber ausgerechnet hier aus und unterstützt das biblische Recht Israels», bilanzierte Müller.

Die Schweiz müsste «die israelischen Verbrechen beim Namen nennen und jegliche Kooperation vor allem im militärischen Bereich abbrechen», forderte Müller. Die Gesellschaft Schweiz-Palästina hatte das Massaker der Hamas vor einem Jahr ausdrücklich verurteilt.

Corina Eichenberger-Walther, Zentralpräsidentin der Gesellschaft Schweiz-Israel und alt FDP-Nationalrätin, sah hinter den letzten Entwicklungen des Kriegsgeschehens den Schatten des Iran. Es sei klar geworden, dass der Iran nicht nur die Zerstörung Israels anstrebe, sondern unterdessen eine globale Bedrohung bilde.

Israel übe sein Selbstverteidigungsrecht aus. Die Hamas sei der Angreifer und nicht Israel. An den Universitäten sei das vergessen worden. An Pro-Palästina-Demonstrationen werde immer wieder zu Gewalt aufgerufen, kritisierte sie.

Walther: «Nicht der Moment für Mutmassungen»

Auf einen möglichen Frieden im Nahen Osten angesprochen, erklärte Eichenberger-Walther: «Schaut man zurück auf die vielen Gelegenheiten, bei denen man glaubte, kurz vor einer Einigung zu stehen, ist jetzt nicht der Moment für Mutmassungen. Erst wenn die Waffen schweigen, kann der Blick in die Zukunft wieder frei sein.»

Für Geri Müller setzt Frieden Gleichberechtigung voraus. «Israel hat sich mit aller Deutlichkeit für Apartheid und Vertreibung entschieden», sagte er. Demokratie gebe es unter diesen Voraussetzungen nicht. Deshalb brauche es konkrete Schritte hin zu einer Veränderung. Im Weiteren erinnerte Müller an die Aussage des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu: «Wir brauchen die Hamas, um die Zwei-Staaten-Lösung zu verhindern.»

In der Schweiz unterstützen nicht alle jüdischen Organisationen Israels Politik. Für die Jüdische Stimme für Demokratie und Gerechtigkeit in Israel/Palästina (JVJP) führt der Vergeltungskrieg in die Katastrophe. Einzig eine politische Lösung könne dem Nahem Osten einen dauerhaften Frieden bringen.

Die JVJP sieht bei der von der Schweiz im Auftrag der Uno-Generalversammlung organisierten Konferenz über den Schutz der Zivilbevölkerung in den israelisch besetzten Palästinensergebieten einen Hoffnungsschimmer. Diese soll Mitte März 2025 stattfinden.

Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) wollte nicht im selben Beitrag wie Geri Müller Stellung nehmen. Der SIG bezeichnet diesen als Hamas-nah.