Israel-Krieg: Schweizer Holocaust-Überlebende über Krieg bestürzt
Mit dem Israel-Krieg findet aktuell der tödlichste Angriff auf jüdische Menschen seit dem Holocaust statt. Letzte Überlebende beschäftigt die Situation stark.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Israel-Krieg löst bei Holocaust-Überlebenden grosse Bestürzung aus.
- Es ist der schlimmste Angriff auf Juden, seit sie von den Nazis verfolgt wurden.
- Letzte Überlebende wollen jetzt noch mehr Aufklärungsarbeit leisten.
Im Israel-Krieg sollen bislang rund 1000 Israelis ermordet worden sein, viele davon starben beim Überraschungsangriff der Hamas am 7. Oktober. Zudem nahmen die Terroristen Dutzende Geiseln – darunter soll auch eine Frau sein, die den Holocaust überlebte.
Die Situation beschäftigt Holocaust-Überlebende und ihre Nachkommen stark. Anita Winter ist eine von ihnen – ihre Eltern wurden von den Nazis verfolgt.
Die Präsidentin der Stiftung Gamaraal, die Holocaust-Überlebende in der Schweiz und im Ausland unterstützt und repräsentiert, sagt zu Nau.ch: «Was dort passiert ist, lässt sich kaum in Worte fassen. Wir waren erschüttert und in tiefem Schock.»
In den knapp zwei Wochen seit der Terrorattacke sind Stand Donnerstag über 1400 Personen von der Hamas getötet worden. «Seit dem Holocaust gab es nie einen so tödlichen Angriff auf jüdische Menschen», sagt Winter.
Überlebende wollen wegen Israel-Kriegs noch mehr aufklären
Bei den Überlebenden selbst habe der Israel-Krieg noch mehr Aktivismus ausgelöst. «Sie wollen noch viel mehr Aufklärungsarbeit leisten. Jetzt erst recht», erzählt Winter. «Sie sehen dies als Verpflichtung gegenüber den sechs Millionen, die nicht mehr sprechen können.»
Winters Stiftung organisiert Vorträge, Testimonials, Ausstellungen und Besuche mit Zeitzeugen in verschiedenen Bildungsinstitutionen. Sie baute unmittelbar nach dem Schock ihr Engagement weiter aus.
Zum einen betreibt die Stiftung eine 24-Stunden-Hotline für Holocaust-Überlebende. Dazu habe man umgehend angefangen, Überlebende im Kriegsgebiet zu unterstützen; die Netzwerke dazu waren bereits vorhanden.
«Für viele von ihnen war die finanzielle Lage in Israel schon vor dem Krieg schwierig. Jetzt ist es noch schlimmer», so Winter. Rund 50 Prozent der verbliebenen Holocaust-Überlebenden sollen gemäss der jüdischen Organisation Claims Conference in Armut leben.
«Müssen von der Geschichte lernen»
Seit Kriegsbeginn wird die Stiftung von einer Solidaritätswelle «überwältigt», sagt die Präsidentin. Menschen wenden sich mit Zuschriften, Anrufen und Angeboten für die Holocaust-Überlebenden an die Stiftung.
Dazu kommen zahlreiche neue Spenden, und es gäbe gar Firmen, die Personalressourcen bereitstellen würden. Doch der Israel-Krieg hat nicht nur zu mehr Solidarität geführt, so Anita Winter.
In der Öffentlichkeit und den sozialen Medien war zuletzt aufflackernder Antisemitismus zu spüren. «Wir sind an einem sensiblen Moment der Weltgeschichte», warnt sie. «Überlebende werden nicht mehr lange da sein. Wir müssen die Fackel der Erinnerung an die nächste Generation weitertragen und von der Geschichte lernen.»