Alain Berset muss im Gesundheitswesen sparen

Weil Bundesrat Alain Berset sparen muss, will er ein Referenzpreissystem für Medikamente. Bekommen Arme darum bald nur noch Zweitklassen-Medizin?

Weil Gesundheitsminister Alain Berset sparen muss, will er ein Referenzspreissystem für Medikamente einführen. - Pixabay

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Referenzpreissystem soll die Preise für Medikamente mit abgelaufenem Patent regeln.
  • Statt Originalpille, gibt es das Generikum. Damit will Gesundheitsminister Berset sparen.
  • Auch Biosimilars werden berücksichtigt. Sie sind dem Original aber nur ähnlich.

Stellen Sie sich eine Welt vor, in der es für viele schwere Krankheiten Heilung gibt. Doch die Spitzenmedizin, die das möglich macht, ist teuer. Leisten können sie sich nur die Reichen. Arme Patienten hingegen müssen billigere und anders gefertigte Kopien der Spitzenmedizin schlucken.

Diese Welt könnte bald Schweizer Realität sein. Davor zumindest warnt die Pharma. Ursache der Sorge sind sogenannte Biologika. Medikamente gegen Krebs-, Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungen.

Biologika erzielen oft unvergleichlich gute Resultate, sind aber teuer. Darum kamen, analog der Generika bei normalen Medikamenten, die Biosimilars auf den Markt.

Alain Berset will Biologika und Biosimilar gleichsetzen

Biosimilars sind günstiger und wirken ähnlich wie Biologika. Doch anders als bei den Generika, die den gleichen Wirkstoff enthalten, wie ihre originalen Vorbilder, sind die Biosimilars nicht gleich wie ihre Vorlage. Sie sind, wie der Name «similar» ahnen lässt, nur ähnlich.

Gesundheitsminister Alain Berset muss sparen. Dabei helfen soll ein Referenzpreissystem für Medikamente, deren Patent abgelaufen ist. - Keystone

Weil unsere Gesundheitskosten explodieren, sieht Bundesrat Alain Berset sich mit Sparmassnahmen konfrontiert. Ein Sparfaktor: Medikamente.

Ist der Patentschutz eines Originals abgelaufen und das Fertigen von Generika möglich, soll darum bald ein Referenzpreissystem greifen. Sprich: Egal ob der Arzt das Original, oder das Generikum, verschreibt: Die Krankenkasse bezahlt beim gleichen Wirkstoff in jedem Fall den gleichen, eben den Referenzpreis.

Wer das Original will, zahlt drauf

«Grundsätzlich würden bei der Einführung eines Referenzpreissystems die Referenzpreise sowohl für Generika und zugehörige Originalpräparate, wie auch für Biosimilars und Biologika gelten», erklärt Jonas Montani, Mediensprecher des Bundesamts für Gesundheit (BAG).

«Das heisst, die versicherte Person müsste bei Bezug eines teureren Biologikums die Differenz zum Referenzpreis selber bezahlen», so Montani weiter. Das soll auch Patienten dazu anhalten, die günstigeren Generika zu beziehen.

Fördert Alain Berset die Zweiklassen-Medizin?

Die Angst der Patienten: Dass Biosimilars nur ähnlich, aber nicht gleich gut wirken, wie die Originale. Wer aber die bestmögliche Therapie will, muss sie selber berappen. Damit würden arme Patienten, so die Sorge, den Kürzeren ziehen. Sie könnten nämlich nur das Zweitklasse-Medikament berappen.

Die Herstellung von Biosimilars ist anders, als jene der Biologikas. Sie sind dem Originalprodukt darum auch nicht gleich ähnlich, wie das Generikum dem normalen Medikament (Symbolbild). - Pixabay

«Die vorgeschlagene Gleichstellung von Biosimilars und Generika im Referenzpreissystem ist aus Gründen der Patientensicherheit abzulehnen», warnt Anita Geiger von Interpharma. Der Verband der Pharmakonzerne ist vom Referenzpreissystem nicht angetan.

«Analog zum neuen Heilmittelgesetz sollen Biosimilars als eigene Arzneimittelkategorie definiert und aus dem Referenzpreissystem ausgeschlossen werden», so Geiger weiter.

Parlament wird bald über Referenzpreissystem entscheiden

Das Referenzpreissystem bedarf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherungen (KVG). Darum hat der Bundesrat die Botschaft nun an das Parlament übergeben. Entsprechend ist noch nicht alles in Stein gemeisselt.

Wie zum Beispiel: «Ob und in welchen Fällen Ärzte die Möglichkeit erhalten werden, eine Substitution abzulehnen, womit gleichzeitig die Vergütung des höheren Preises erforderlich wird, wurde vom Bundesrat noch nicht entschieden», so Montani.

Biologika sind gentechnisch hergestellte Medikamente, die hochspezifisch gegen bestimmte Rezeptoren oder Immunzellen wirken. Für die Herstellung werden Zellen gezüchtet, welche ihrerseits kleine Moleküle herstellen. Aus ihnen besteht der Wirkstoff.

Unterschiede mit blossem Auge sichtbar

«Biosimilars werden prinzipiell genauso hergestellt wie die Biologicals selber. Kleine Unterschiede im Herstellungsprozess sind aber wahrscheinlich», erklärt Michael Arand. Er ist Professor für Pharmakologie an der Universität Zürich.

Arand versteht die Sorge der Patienten – und kann sie beruhigen. «Man kann sich das in etwa vorstellen, wie ein Auto, dass während des Herstellungsprozesses eine Schraube verliert. Man steckt eine gleiche rein und alles funktioniert einwandfrei.»

Trotzdem sei die neue Schraube eben nicht das Original. Doch Arand beruhigt. «Wir haben ein sehr gutes System für die Zulassung von Arzneimitteln. Dem darf man vertrauen.»

Ist der Patentschutz eines Medikaments abgelaufen, kann es als Generikum günstiger kopiert und verkauft werden. Der Wirkstoff bleibt der gleiche. - Pixabay

Die Organisation, welche Medikamentenzulassungen in der Schweiz betreut, heisst Swissmedic. Auf Nachfrage bestätigt man hier, dass Biosimilars strengen Tests unterzogen werden. Nicht so vielen Tests allerdings, wie ein ganz neues Präparat.

Nicht gleich strenge Tests

«Die Entwicklung von Biosimilars beruht auf wissenschaftlichen Kenntnissen, die durch das Referenzarzneimittel gewonnen wurden. Nicht alle klinischen Studien, die mit dem Referenzarzneimittel durchgeführt wurden, müssen noch einmal wiederholt werden», erklärt Swissmedic.

Biosimilars sind laut Swissmedic vor allem darum wichtig, weil sie einer breiteren Patientenmenge Zugang zu wichtigen – und einst fast unbezahlbaren – Medikamenten verschaffen.

Biosimilars als sichere Alternative

«Biosimilars sind eine sichere Alternative zu Referenzarzneimitteln, wenn sie gemäss der zugelassenen Indikationen verwendet werden», so Swissmedic weiter. Dem pflichtet auch Pharmakologe Arand bei. Bei der Behandlung mit Biologika oder Biosimilar sei ein anderer Faktor problematischer.

Viel grösser, als der minimale Unterschied zwischen den beiden Präparaten, sei die etwas unterschiedliche Wirkung, die diese Präparate bei verschiedenen Patienten besitzen.

«Wirkstärke und Nebenwirkungen von Arzneimitteln hängen von der individuellen Verfassung und Erbanlage des Patienten ab», so Arand. Das gelte in gleichem Mass für Biologicals und Biosimilars.