Expats schockiert: Schweizer «rauchen neben Kindern»
Mehr als eine Million Menschen in der Schweiz rauchen täglich. Für viele Expats ein Kulturschock – das Verhalten vieler Raucher stösst ihnen sauer auf.
Das Wichtigste in Kürze
- Im internationalen Vergleich ist die Schweiz eine Rauchernation.
- Nichtrauchenden Expats und Touristen geht das gehörig gegen den Strich.
- Für Kritik sorgt vor allem, dass einige gar direkt neben Kindern und Schwangeren rauchen.
«Wieso rauchen so viele Eltern hier neben ihren Kindern? Was läuft mit diesen Leuten falsch?», wettert ein Libanese, der in der Schweiz lebt, im Netz.
Täglich sehe er solche Mütter mit ihrem Kind. «Einmal war sogar eine dabei, die ihr Kleinkind hochhielt und gleichzeitig mit der anderen Hand rauchte.»
Dieses «Ausmass an Ignoranz» sei ihm unbegreiflich, wie er auf der Plattform Reddit schreibt. «Als ob es nicht schon genug wäre, andere zu belästigen und deren Gesundheit (...) zu schädigen, kümmert es sie auch nicht bei ihren Kindern!»
«Diese Monster»
Ein emotionales Thema – mehr als 350 Kommentare erhält der Mann zu seinem Post. «Ich hasse diese Leute!», wütet etwa eine US-Amerikanerin, die in der Schweiz lebt.
«Als ich hier hingezogen bin, war ich schockiert darüber, wie viele Leute andere mit ihrem Rauch belästigen.»
An Bahnhöfen, Bushaltestellen, Restaurants – überall werde geraucht. «Ich kann nicht einmal auf einer Terrasse sitzen im Sommer, ohne diesen Dreck einatmen zu müssen! Und dann sehe ich diese Monster, die sich Eltern nennen, neben ihrem Kind rauchen?»
Frau bläst Hochschwangerer Zigi-Rauch ins Gesicht
Auch Expat A.*, ursprünglich aus den USA, ist immer wieder über das Rauchverhalten der Schweizer schockiert. Sie lebt seit 2015 in der Schweiz – und hat seither schon einiges erlebt.
«Ich hasse es, Eltern neben ihren Kindern rauchen zu sehen, aber leider passiert das ständig», sagt sie zu Nau.ch. «Nicht selten sehe ich Mütter oder Väter mit einer Zigarette im Mund, während sie den Kinderwagen schieben.»
Ein besonders schockierendes Erlebnis hatte sie in Genf, wie sie erzählt: «Ich war im achten Monat schwanger mit meinem ersten Kind. Ich trug ein enges Baumwollkleid, es war also sehr offensichtlich, dass ich schwanger war.»
Sie wartet gerade an einer Bushaltestelle, als sich plötzlich eine Frau mittleren Alters direkt neben sie setzt. «Sie nahm eine Zigarette und ein Feuerzeug und begann, mir praktisch ins Gesicht zu rauchen.»
In Genf ist das verboten: An Bushaltestellen, Pausenplätzen oder an Spielplätzen darf nicht geraucht werden. Es drohen saftige Bussen von bis zu 1000 Franken.
«Es ist nicht nur verboten, es ist auch daneben, sich direkt neben Fremde zu setzen und zu rauchen. Und dann noch einer hochschwangeren Frau Rauch ins Gesicht zu blasen? Unglaublich, ich werde das nie vergessen.»
«Hinken stark hinterher»
Kein Wunder, sind die beiden Amerikanerinnen so schockiert über das Rauchverhalten vieler Schweizer sind. Präventionsleiterin Claudia Künzli von der Lungenliga Schweiz erklärt bei Nau.ch: «Im Vergleich zu Ländern wie USA, Kanada, Australien oder Neuseeland hinken wir bezüglich Tabakprävention und Passivrauchschutz noch stark hinterher.»
Das zeige zum Beispiel die «hohe Rauchquote» von 24 Prozent. «Aber auch in Europa stehen wir ziemlich schlecht da. So gibt es beispielsweise Länder in Europa, die das Rauchen im Auto in Anwesenheit von Kindern oder Schwangeren verbieten.»
Anders bei uns: Es gibt zwar kantonale Zusatzregeln, doch so scharf wie in Genf sind sie sonst nirgendwo. Grundsätzlich ist in der Schweiz Rauchen an Orten wie Spielplätzen, Sportstadien oder ÖV-Haltestellen erlaubt.
Rauchgegner fordern schärfere Gesetze
Dass sich Raucherinnen und Raucher generell oder bewusst rücksichtslos verhalten, findet Künzli nicht. Aber: «Das Problem ist strukturell bedingt. Wenn das Rauchen an öffentlich zugänglichen Orten erlaubt ist, kann man es eben nicht verbieten.»
Sowohl Expat A. als auch Künzli wünschen sich Änderungen. «Ich finde, die Gesetze in der Schweiz sind viel zu lasch», sagt A.
«Wir hoffen, dass das gute Beispiel aus Genf in anderen Kantonen Schule macht», sagt Künzli von der Lungenliga. Es bräuchte eine Revision des Bundesgesetzes zum Schutz vor Passivrauchen.
Passivrauchen ist erwiesenermassen schädlich. Bei Erwachsenen kann es laut dem US-Gesundheitsdepartement zu Schlaganfällen, Lungenkrebs und Herzerkrankungen führen. Kinder haben unter anderem ein erhöhtes Risiko für plötzlichen Kindstod, Atemwegsinfektionen und Asthma.
Übrigens: Seit dem 1. Oktober gilt in der Schweiz das neue Tabakgesetz. Seither ist das Rauchen von E-Zigaretten an Bahnhöfen eingeschränkt. Zigaretten und alle anderen Tabakprodukte dürfen in der ganzen Schweiz nur noch an über 18-Jährige verkauft werden.
*Name der Redaktion bekannt