«Für meine Weltreise»: Heftige Kritik an Trinkgeld-Kässeli in Cafés

Häufig ist zu beobachten, dass Angestellte von Cafés und Shops angeben, wofür man Trinkgeld geben soll. Ein Wirtschaftspsychologe kritisiert den «Psychotrick».

Zum Beispiel in der Berner Tibits-Filiale geben Mitarbeiter an, wofür sie das Trinkgeld brauchen. Etwa für einen Sprachkurs. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Café-Angestellte geben oftmals einen Grund an, wofür man Trinkgeld geben soll.
  • In einem Berner Tibits zum Beispiel «für meine Weltreise» oder «für meinen Sprachkurs».
  • Dafür gibt es nun heftige Kritik – Kunden würden durch den «Psychotrick» manipuliert.

Wer einen Cappuccino bestellt, soll wissen, wofür er oder sie Trinkgeld gibt. Was im ersten Moment nach Transparenz klingen mag, sorgt jetzt für heftige Kritik.

Das Prinzip, das heute in zahlreichen Kafis und Shops verbreitet ist: Die Angestellten haben bei ihren Kassen personalisierte Gläser aufgestellt. «Für meinen Sprachkurs» – «Für meine Weltreise» – «Für mein Studium», steht etwa auf den Kässeli einer Berner Tibits-Filiale. (Bild oben)

Wie Amar Abbas, Mitglied der Geschäftsleitung, erklärt, wurde das persönliche Kässeli auf Initiative der Mitarbeiter eingeführt. «Wenn jemand Trinkgeld geben will, so ist es auf diese Art sehr persönlich. Und oft ein Grund für einen kurzen Schwatz darüber.»

Von den Stammgästen erhalte man positives Feedback. Es sei schliesslich «eine schöne Grundlage für ein Gespräch».

Überhaupt keine Freude an diesem Verkaufsgespräch findet jedoch der Wirtschaftspsychologe Christian Fichter. Seine Meinung zu den «Weltreise»-Kässeli: «Das ist ein Psychotrick!»

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Sichtbare Trinkgeld-Kässeli verursachen ein «Gefühl der Verpflichtung»

Der «Psychotrick» ziele darauf ab, eine emotionale Verbindung zwischen Kunden und Angestellten herzustellen, sagt der Forschungsleiter der Kalaidos Fachhochschule. «Kunden werden dadurch manipuliert, mehr zu geben. Besonders wenn das Trinkgeld für sozial erwünschte, persönliche Ziele der Angestellten bestimmt ist.»

Fichter spricht von einer «manipulativen Strategie». Wenn Kunden nämlich wüssten, wofür das Trinkgeld verwendet wird, dann verursache das «ein Gefühl der Verpflichtung».

Wirtschafts- und Konsumpsychologe Christian Fichter. - zVg

Weiter: «Diese Methode nutzt die Empathie der Menschen aus, um sie zu finanziellen Beiträgen zu bewegen. Es ist eine Taktik, die bewusst auf die emotionale Seite der Kunden abzielt und ist deshalb kritisch zu bewerten.»

Tibits-Geschäftsleitungsmitglied Abbas unterstreicht: Trinkgeld bleibe auch mit den Kässeli natürlich «absolut freiwillig. Und es wird von unseren Gästen auch nicht erwartet».

Doch alleine das «sichtbare Trinkgeldglas» passt Kritiker Fichter nicht. Dieses löse sozialen Druck aus. Man versuche so, «Kunden durch die Beobachtung anderer zum Geben zu bewegen.»