Genua: Nach Katastrophe soll Schweiz als Vorbild dienen

Nach dem Einsturz der Brücke in Genua ist eine Frage, wie der für Brücken besonders belastende Schwerverkehr reduziert werden kann. Vorbild ist die Schweiz.

Ein Stau auf der Autobahn zwischen Göschenen und Stans. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ist seit Genua wieder ein grosses Thema.
  • Vorbild sei die Schweiz mit ihrer strassen- und umweltschonenden Verkehrspolitik.

Der Autobahneinsturz in Genua heizt die Debatte über mehr Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene neu an. Auch ohne dass die Gründe für den Einsturz bislang ermittelt wären, ist klar, dass Strassen und Brücken mit weniger Schwerverkehr weniger belastet wären. «Je weniger Schwerverkehr auf den Strassen fährt, desto besser ist es für die Strassenoberflächen und damit auch für die Brücken», sagte Verkehrsforscher Gernot Liedtke der Deutschen Presse-Agentur. Vorbild sei die Schweiz mit ihrer strassen- und umweltschonenden Verkehrspolitik.

«Um den LKW-Verkehr auch in Deutschland flächendeckend zu verringern, braucht man auch solche Massnahmen wie in der Schweiz», so der Professor am Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Berlin. Zum einen müssten die Mautgebühren auf der Strasse deutlich steigen. Das mache die Bahn kostenmässig attraktiver. Zum anderen brauche die Bahn neue Umschlaganlagen und Geschäftsmodelle. Sie müsse Angebote haben, um auch Waren unterhalb der Containergrösse reibungslos transportiert werden können.

Schwerverkehr auf Schienen verlagern

Die Schweiz verfolgt seit den 90er Jahren die Verkehrspolitik, den Schwerverkehr über die Alpen auf die Schiene zu verlagern. «Wir sparen im Jahr im alpenüberquerenden Verkehr 700 000 Lastwagenfahrten ein», sagte Olivia Ebinger vom Verkehrsministerium in Bern. Leitmotiv sind Umweltschonung und Lärmbegrenzung für Anwohner.

Die Schonung der Strassen sei aber ein guter Nebeneffekt, so Liedtke: «Die Schiene könnte auch in Deutschland deutlich mehr Gütertransporte aufnehmen.» Besonders auf der Ost-West-Schiene gebe es noch reichlich Kapazität. Die Attraktivität des Schweizer Modells liege im Gesamtkonzept: «Die Strategie, den Autobahnausbau zu stoppen, in den Schienenverkehr zu investieren und den Strassentransport spürbar zu verteuern - das ist zukunftsorientiert», sagte Liedtke.

Lkws zahlen Abgaben

In der Schweiz zahlen Lkws seit 2001 eine distanz-, gewichts- und emissionsabhängige Abgabe. Zwei Drittel davon fliessen in einen Fonds für die Bahninfrastruktur. Es gibt Sonntags- und Nachtfahrverbote, die rigoros kontrolliert werden. Auf den alpenquerenden Routen liegt der Anteil des Schwerverkehrs, der auf der Schiene transportiert wird, bei 70 Prozent. In Deutschland werden bundesweit 18 Prozent der Güter auf Schienen befördert, 72 Prozent auf der Strasse und 10 Prozent per Schiff.

Liedtke hat mit Kollegen berechnet, dass auf den wichtigen Hauptstrecken im Schienennetz Deutschlands etwa 18 Milliarden Euro Investitionen nötig wären, damit 50 Prozent des Güterverkehrs, der mehr als 300 Kilometer zurücklegt, auf die Schiene verlegt werden kann. «Dazu kommen zusätzliche Schienenausbaumassnahmen in Ballungszentren, wo es häufig Kapazitätsengpässe gibt.» Zusätzlich seien etwa fünf Milliarden Euro nötig, um die nötigen Umschlaganlagen zu bauen.