Mehrweg-Lunchboxen sollen Kreislaufwirtschaft ankurbeln

Die Kreislaufwirtschaft funktioniert als Geschäftsmodell, benötigt aber in der Schweiz gesetzliche Förderung, um breiter umgesetzt zu werden.

Mehrweg-Becher zum Mitnehmen sind die umweltfreundlichere Alternative für den Kaffee unterwegs. (Archivbild) - Felix Kästle/dpa

Die Kreislaufwirtschaft funktioniert im Einzelfall als Geschäftsmodell. Auf breiter Front braucht es in der Schweiz laut Expertinnen aber eine gesetzliche Förderung – wie in den Nachbarländern Deutschland und Frankreich. Wenn Studierende an der Universität Zürich einen Cappuccino to go bestellen oder Kunden im Migros-Restaurant Salat in eine Lunchbox schöpfen, erhalten sie dafür violettes Mehrweggeschirr.

Für dieses zahlen sie je nach Grösse ein Depot von 5 bis 10 Franken. Das soll den Anreiz schaffen, die Behälter nach der Verwendung wieder zurückzubringen. Die Becher und Boxen stammen vom Berner Start-up Recircle.

Spart Abfall und CO2

Die Reinigung übernehmen die Gastronomiebetriebe selbst – mittlerweile sind es über 1800 in der ganzen Schweiz, die mitmachen. Sie wollen die Behälter so lange wie möglich wiederverwenden. «Viele Kundinnen und Kunden schätzen die qualitativ hochwertigen Behälter», sagt eine Migros-Sprecherin. Damit könnten auch Reste gut eingepackt werden.

Besonders in grösseren Städten und in Bahnhofsnähe funktioniere das Konzept gut. Auch Konkurrent Coop arbeitet mit Recircle zusammen. Der Clou sei, dass man die Behälter bei einem beliebigen Recircle-Partnerbetrieb retournieren könne, unabhängig vom Bezugsort. Man kann die Boxen also auch nach Hause nehmen und erst nach mehrfacher Nutzung zurückbringen.

So spart man Abfall und CO2, das durch die Verbrennung von Einwegverpackungen entsteht. Auch bei den ZFV-Betrieben sind die Mehrwegbehälter beliebt. Dazu gehören beispielsweise die Mensen der Universität und der ETH Zürich oder jene der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Einwegplastik in EU seit 2021 verboten

Im Gesamtmarkt fristen Mehrwegsysteme hierzulande aber noch ein Nischendasein. Erst kürzlich musste das Zürcher Start-up Kooky sein Geschäftsmodell anpassen, weil seine Mehrwegbecher an Bahnhofskiosken nicht genügend genutzt wurden. In der EU ist Einwegplastik seit 2021 verboten. In der Schweiz gibt es hingegen nur vereinzelte lokale Initiativen, wie zum Beispiel im Kanton Bern, wo für öffentliche Grossveranstaltungen ein Mehrweggebot gilt, oder in Genf, wo Einwegplastik in Restaurants und Take-aways spätestens ab 2025 verboten werden soll.

Laut Expertinnen ist das noch nicht genug. «Die Infrastruktur und die Finanzierung der Abfallentsorgung müssen zugunsten der Wiederverwendung umgebaut werden», fordert etwa Kreislaufwirtschaftsexpertin Joëlle Hérin von Greenpeace. Sie denkt dabei an eine Steuer auf Einweggeschirr, wie sie in Frankreich bereits eingeführt ist. Diese kommt zum Beispiel Wasch- und Logistikzentren für Mehrwegbehälter zugute.

Auch Maria Colon, Expertin für Kreislaufwirtschaft bei Entsorgung + Recycling Zürich, ist der Meinung, dass die Schweiz die Mehrwegnutzung fördern müsse. Regulierungen seien eine Möglichkeit, aber auch Anreizsysteme und Massnahmen zur Sensibilisierung der Bevölkerung.

Hälfte der Schweizer will Konsumverhalten zugunsten der Umwelt ändern

Deutschland gilt vielen als Vorreiter in diesem Bereich. Seit letztem Jahr gilt dort eine Mehrwegpflicht für Take-away-Betriebe – diese müssen also zwingend Mehrwegalternativen anbieten. Entsprechend sind im Nachbarland bereits mehrere Mehrweganbieter aktiv, darunter Recup oder Relevo. Zudem bieten einige Grosskonzerne wie Starbucks oder McDonald's eigenes Mehrweggeschirr an.

Auch hierzulande wäre die Bevölkerung eigentlich offen für neue Lösungen. Laut einer aktuellen Umfrage von Deloitte gibt fast die Hälfte der Befragten an, ihr Konsumverhalten zugunsten der Umwelt ändern zu wollen. Wichtig sei aber, so Rahel Ostgen, Leiterin Kreislaufwirtschaft bei Swiss Recycle, dass die Konsumentinnen und Konsumenten die Vorteile des Wiederverwendens kennen. Zudem müsse die Handhabung einfach sein.

«Kreislaufwirtschaft wird sich langfristig durchsetzen»

So sieht es auch Jeannette Morath, Geschäftsführerin von Recircle. Verfügbarkeit und Sichtbarkeit sind für sie der erste Schritt. «Wenn sich die Leute erst einmal an Mehrweg gewöhnt haben, kehren sie nicht mehr zu Einweg zurück», sagt sie.

Morath ist denn auch überzeugt: «Die Kreislaufwirtschaft wird sich langfristig durchsetzen.» Das 2016 von ihr gegründete Unternehmen befinde sich derzeit in einer Scale-up-Phase, wachse also besonders schnell. Eine Lunchbox von Recircle hat laut eigenen Angaben ab 15 Nutzungen einen geringeren CO2-Fussabdruck als eine durchschnittliche Einwegverpackung aus Plastik, Karton oder Aluminium.