Naturfans trauern mit Kerzen um gefällte Bäume
Ob aus Sicherheitsgründen oder als Rohmaterial für Bau und Handwerk: Jeden Tag werden in der Schweiz Bäume gefällt. Ganz zum Ärger von Naturfans.
Das Wichtigste in Kürze
- Naturfans stimmt es traurig, wenn Bäume gefällt werden – sie platzieren Kerzen für sie.
- Sie argumentieren, die Pflanzen seien auch Lebewesen mit Gefühlen.
- Schmerzen empfinden können Bäume aber nicht, wie Forschungsergebnisse zeigen.
Für die einen ist es Alltag, für die anderen Anlass zur Trauer: gefällte Bäume. In Adliswil ZH an der Sihl zum Beispiel ist kürzlich ein Baum gefällt worden, der Reaktionen ausgelöst hat.
Eine unbekannte Person hat beim Strunk eine Trauerkerze platziert – eine Einwohnerin teilt ein Foto davon auf Facebook. «Ich finde es schon traurig», sagt sie zu Nau.ch. Damit ist sie nicht allein, wie die zahlreichen Kommentare zu ihrem Foto zeigen.
«Auch ein Baum ist ein Lebewesen, aber leider denkt der Mensch immer weniger so», stimmt eine Nutzerin bei. Und eine weitere meint: «Ich finde das eine schöne Idee mit der Kerze.» Viele wundern sich zudem, warum der Baum «sterben» musste.
Bei der Stadt Adliswil verteidigt man sich gegenüber Nau.ch: «Wir sind immer sehr darum bemüht, dass Bäume geschützt werden. Manchmal sind Fällarbeiten jedoch unumgänglich: beispielsweise bei geschädigten oder kranken Bäumen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen.»
Kerzen auch im Aargau und in Bern
Traurige und hässige Reaktionen auf gefällte Bäume gibt es nicht nur im Kanton Zürich. Laut der «Neuen Fricktaler Zeitung» gibt es solche Baum-Kerzen auch im Aargau oder an der Aare in Bern, wie Nau.ch weiss.
Noëmi Bourquin von der Stadt Bern sagt auf Anfrage: «Baumfällungen sorgen grundsätzlich immer wieder für Reaktionen aus der Bevölkerung. Eine Fällung ist immer auch mit Emotionen verbunden, weil Bäume der Bevölkerung wichtig sind.»
Sie betont, dass die Stadt sehr sorgsam mit ihrem Baumbestand umgehe. «Sie nimmt Fällungen nur dann vor, wenn es wirklich nötig ist.»
Emotional stimmen Baumfällungen vor allem Naturfans und Landschaftsschützerinnen und -schützern. Zum Beispiel der Verband Freie Landschaft Schweiz, der sich für Wald- und Landschaftsschutz einsetzt.
Präsident Elias Vogt sagt zwar zu Nau.ch, dass bei solchen Aktionen wohl keine Mitglieder des Verbands beteiligt seien. Aber: «Die Protestaktion finden wir begrüssenswert.»
Baum «fühlt auch»
Auch die spirituelle Influencerin Nancy Holten lobt die Aktion. Denn sie glaubt: «Ein Baum reagiert nicht nur, sondern fühlt auch. Diese wertschätzende Aktion verweist darauf hin, dass die Menschen mitfühlender werden für alle Geschöpfe auf dieser Erde ... Weiter so!»
Die Kerzen erinnern Holten an ein eigenes Erlebnis: «Als meine erstgeborene Tochter zirka neun Jahre war und wir eines Morgens zur Haustüre rauskamen, wurde draussen ein Baum gefällt. Meine Tochter ist völlig aufgelöst hingerannt.»
Sie habe sie zurückhalten müssen. «Sie weinte um den Baum und hatte Mitgefühl mit ihm. Es war für sie als emphatisches Wesen fast nicht auszuhalten ... das werde ich nie vergessen.»
Allzu grosse Sorgen um Eichen, Tannen und Co. braucht man sich aber nicht zu machen. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Pflanzen keinen Schmerz empfinden können. Dazu fehlen ihnen die entsprechenden Rezeptoren.
