Proteste in Belarus: Schweizer wird in Weissrussland festgenommen

Bei den Protesten gegen Wahlfälschungen in Belarus wurden insgesamt schon über 5000 Menschen verhaftet – darunter soll sich auch ein Schweizer befinden.

In Belarus wurde bei den Protesten gegen Lukaschenko ein 20-jähriger Schweizer festgenommen (Symbolbild). - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei den Protesten in Belarus wurden schon über 5000 Menschen verhaftet.
  • Darunter befindet sich offenbar auch ein 20-jähriger Schweizer.
  • Die Schweizer Behörden Konten bisher nicht direkt Kontakt zu dem Mann aufnehmen.

Die Proteste gegen Wahlfälschung in Belarus gingen auch in der Nacht zum Mittwoch weiter. In sozialen Medien gab es Berichte, wonach Sicherheitskräfte erneut brutal gegen friedliche Demonstranten vorgingen.

Die Polizei setzte wieder Blendgranaten und Gummigeschosse gegen Demonstranten ein, wie Videos zeigten. Diese wehrten sich mit Steinen und Flaschen und bauten vereinzelt Barrikaden auf. Explosionen waren zu hören.

Hunderte Menschen beteiligten sich erneut in mehreren Städten des Landes an den Aktionen gegen Wahlfälschung. Die Zahl der Verletzten war zunächst nicht bekannt. Am Dienstag sprachen die Behörden in Minsk von 200 Verletzten, die im Krankenhaus behandelt würden.

Nach Einschätzung von Beobachtern gingen die Sicherheitskräfte diesmal härter gegen Demonstranten vor als in den Nächten zuvor. Viele Strassen in Minsk waren abgeriegelt. Zu hören war auch, wie Autos als Zeichen des Protestes hupend durch die Stadt fuhren.

Im Nachrichtenkanal Telegram wurden Videos veröffentlicht, die zeigen, wie Uniformierte Zivilisten verprügeln und treten. Ein genauer Überblick war zunächst schwierig, weil es in Belarus wieder erhebliche Probleme mit dem Internet gab.

Die Behörden wollen mit dieser Taktik verhindern, dass sich Demonstranten vernetzen. Telegram-Gründer Pawel Durow schrieb auf Twitter, dass Programme gegen Netzsperren aktiviert worden seien, damit Telegram für möglichst viele verfügbar bleibe.

Nach eigenen Angaben sollen die Sicherheitskräfte angebliche Organisatoren der Demonstrationen festgenommen haben. Sie hätten einen von ihnen in einem Hotel entdeckt und abgeführt, meldete die Staatsagentur Belta am Mittwochmorgen in Minsk ohne Details zu nennen. Der Mann soll von dort aus Protestteilnehmer angeleitet haben. Auch zwei russische Journalisten sollen demnach festgenommen worden sein.

Schweizer unter den Festgenommenen

Wie viele Menschen am Dienstagabend in Polizeigewahrsam kamen, war zunächst unklar. Medien berichteten, dass auch Journalisten festgenommen worden seien.

Die Rede war von massiver Gewalt gegen Reporter und Fotografen - auch gegen Journalisten, die in Belarus offiziell akkreditiert sind. Der britische Sender BBC in Russland berichtete, dass ein Filmteam von Sicherheitskräften angegriffen worden sei.

Insgesamt wurden mit Stand Dienstag bislang mehr als 5000 Menschen verhaftet. Bis zum aktuellen Zeitpunkt haben die weissrussischen Behörden kein offizielles Protokoll von den Festnahmen erfasst, weswegen nicht offiziell bestätigt ist, dass sich auch ausländische Staatsangehörige unter den Festgenommenen befinden.

Laut Angaben des «SRF» sind aber etwa Staatsangehörige Italiens, der Türkei und der Ukraine verhaftet worden – und offenbar auch ein 20-jähriger Schweizer.

Dieser hält sich demnach seit vergangenen Herbst wegen eines Sprachaufenthalts an der Universität von Minsk in Weissrussland auf. Er wurde laut dem Bericht in der Nacht von Sonntag auf Montag von weissrussischen Sondereinheiten verhaftet.

Laut «SRF» wissen die Schweizer Behörden über die Festnahme Bescheid, konnten aber bisher keinen Kontakt mit dem Mann aufnehmen – obwohl sie dafür bei den weissrussischen Behörden angefragt hatten.

Einzig den Namen des Gefängnisses konnte man dank eines russischen Journalisten in Erfahrung bringen. Dieser sass zwischenzeitlich in derselben Zelle wie der Schweizer fest.

Prekäre Haftbedingungen

Die Haftbedingungen für den jungen Mann sind laut dem Bericht von «SRF» prekär. Ein Augenzeuge berichtet, dass die festgenommenen Ausländer in dem Minsker Gefängnis während eines ganzen Tages weder Wasser noch Essen erhielten.

Zudem seien die Zellen überfüllt: Statt mit drei Personen, muss sich der Schweizer die Räumlichkeiten mit 14 anderen Verhafteten teilen. Der junge Schweizer sei jedoch unverletzt und spricht offenbar sehr gut russisch.

Der «SRF»-Augenzeuge berichtet, dass die Haftbedingungen für weissrussische Protest-Verhaftete jedoch um einiges härter seien. Bei den Festnahmen würden die Sicherheitskräfte etwa Ausländer nicht gezielt schlagen – Weissrussen hingegen schon

In den Zellen mit weissrussischen Staatsangehörigen würden sich zudem bis zu 40 Personen befinden, dabei wären diese jeweils nur für sechs Personen ausgelegt.

Proteste gegen Staatschef Lukaschenko

In Belarus brachen nach der Präsidentenwahl am Sonntag landesweit Proteste aus. Die Wut vieler Menschen richtet sich gegen Staatschef Alexander Lukaschenko, der sich nach 26 Jahren im Amt an seine Macht klammert.

Der autoritär herrschende Lukaschenko hatte den Sieg bei der Präsidentenwahl am Sonntag für sich beansprucht. Der Wahlkommission zufolge kam der 65-Jährige auf mehr als 80 Prozent der Stimmen. Die Opposition sprach von beispielloser Wahlfälschung. Sie erkennt das Ergebnis nicht an.

Alexander Lukaschenko gilt als der «letzte Diktator Europas». - dpa

Die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja das inzwischen Land verlassen und befindet sich in Litauen. Tichanowskaja hatte zuvor auch ihre Kinder ausser Land bringen lassen.

Ihr Mann Sergej Tichanowski, ein regierungskritischer Blogger, sitzt in Haft. Tichanowskaja war an seiner Stelle bei der Wahl angetreten und hatte als einzige Oppositionelle eine Zulassung als Kandidatin erhalten.

«Ich will kein Blut und keine Gewalt»

Am Dienstag wurde ein Video veröffentlicht, in dem die 37-Jährige sagte, dass sie kein Blut und keine Gewalt wolle. Auf einer Couch sitzend liest sie die Botschaft ab und blickt kein einziges Mal in die Kamera. Ihr Wahlkampfstab teilte mit, dass das Video unter Druck der Behörden entstanden sei.

«Der Stab hat die Unterstützer und den Machtapparat zum Verzicht auf Gewalt aufgerufen», sagte Olga Kowalkowa vom Team Tichanowskajas. Der Kampf gegen «Europas letzten Diktator» gehe aber dennoch weiter.

Offenbar sei Tichanowskaja über Stunden in der Wahlleitung dem Druck ranghoher Beamter ausgesetzt gewesen. Und zu der Mitteilung an ihre Unterstützer, keinen Widerstand mehr zu leisten, gezwungen worden.