Nach neuer Gewalt-Nacht: Lage in Belarus zunächst wieder ruhig
Die Proteste nach der Präsidentenwahl in Belarus gingen in der Nacht von Montag auf Dienstag weiter. Am Morgen hat sich die Lage zunächst wieder beruhigt.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Menschen in Belarus protestieren weiter gegen den Staatschef Alexander Lukaschenko.
- Am Dienstag sollen in den Staatsbetrieben Streiks folgen.
- Zuletzt hatten die Bürger wegen Wahlfälschung demonstriert.
Nach stundenlangen blutigen Protesten wegen der Präsidentenwahl in Belarus (Weissrussland) hat sich die Lage im Land am Morgen zunächst beruhigt. Die Oppositionsbewegung «Strana dlja Schisni» schrieb nach siebenstündigen Kundgebungen gegen Wahlfälschungen unter dem autoritären Staatschef Alexander Lukaschenko am Dienstag: «Das war ein historischer Abend».
Die Tage von Lukaschenko seien nach den Gewaltexzessen mit Gummigeschossen und Blendgranaten gegen die Bürger gezählt, hiess es. «Der Sieg über den Tyrann in den nächsten Tagen ist einfach offensichtlich», teilte die oppositionelle Plattform mit. Insgesamt war die Lage aber unübersichtlich, es gab zunächst keine offiziellen Zahlen zu Verletzten und Festnahmen.
Auf Bildern waren viele blutüberströmte Menschen zu sehen. Lukaschenko kann sich bisher auf einen starken Sicherheitsapparat verlassen. Er drohte mit dem Einsatz der Armee, um sich nach 26 Jahren weiter an der Macht zu halten.
Ein Land zum Leben
«Strana dlja Schisni» bedeutet «ein Land zum Leben» und ist der Name der Bewegung um Präsidentschaftskandidatin Swetlana Tichanowskaja. Die 37-Jährige beansprucht den Sieg bei der Wahl vom Sonntag für sich. Sie hat zu einem friedlichen Wandel in der Ex-Sowjetrepublik aufgerufen. Zugleich kündigten sie und ihr Stab Ausdauer bei den Protesten gegen «Europas letzten Diktator» an.
Nach Meinung von Beobachtern war die Nacht zum Dienstag von noch mehr Gewalt geprägt als die zum Montag. In der ersten Nacht hatte es etwa 100 Verletzte und 3000 Festnahmen gegeben. In sozialen Netzwerken kursierten Fotos von Uniformierten, die sich demonstrativ auf die Seite der Demonstranten stellten. Sie wurden als «Helden» gefeiert.
Landesweiter Streik in den Staatsbetrieben
Für diesen Dienstag haben die Gegner Lukaschenkos zu einem landesweiten Streik in den Staatsbetrieben aufgerufen, um den Machtapparat zu brechen. Kommentatoren sprachen zuletzt von der «Geburt der Nation Belarus». Diese gebe sich rund 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion erst jetzt so richtig eine Identität. Sie wolle sich abnabeln vom grossen Nachbarn Russland.
Wirtschaftlich ist das Land an der Grenze zum EU-Mitglied Polen von Russland abhängig. Die demokratischen Kräfte in Belarus hoffen auf Unterstützung auch von den EU-Nachbarn Litauen und Lettland. Im Nachbarland Ukraine hat Präsident Wolodymyr Selenskyj, der mit seiner Ex-Sowjetrepublik in die EU strebt, zu einem Gewaltverzicht aufgerufen.