Reto Knutti erklärt den CO2-Rekord
Airlines am Boden, Angestellte im Homeoffice: Trotz Krise registrieren US-Forscher einen CO2-Rekord. ETH-Forscher Reto Knutti ordnet ein.
Das Wichtigste in Kürze
- US-Forscher haben einen CO2-Höchstwert registriert.
- Klimaforscher Reto Knutti überrascht das nicht.
- Rezepte, um den CO2-Ausstoss zu reduzieren, sind längst vorhanden.
Am Montag vermeldete die US-Behörde für Wetter, Klima und Ozeanografie einen Negativrekord. Das seit 1958 tätige Observatorium Mauna Loa in Hawaii registriere im Mai in der Erdatmosphäre eine so hohe CO2-Konzentration wie noch nie.
Exakt 419 Teile pro Million (ppm) verzeichneten die Forscher, rund 50 Prozent mehr als vor der Industrialisierung. «Man muss in der Erdgeschichte mehrere Millionen Jahre zurück, um eine vergleichbare Konzentration zu finden», kommentiert Reto Knutti.
Die neuen Zahlen überraschen den ETH-Klimaforscher nicht. «Die CO2-Emissionen sind bis 2019 jedes Jahr angestiegen. Und CO2 zerfällt nicht, es sammelt sich einfach in der Atmosphäre an.»
Teil des CO2 bleibt in der Atmosphäre
Ein Teil wird zwar von den Meeren und der Biosphäre aufgenommen. Doch rund die Hälfte davon, was wir jedes Jahr ausstossen, bleibt in der Atmosphäre. «Damit nimmt die Menge dort jedes Jahr zu. Die Kurve ist hochgradig vorhersagbar.» Das erklärt auch, wieso die Zahlen trotz stark reduzierten Luftverkehrs und Homeoffice zunehmen.
Doch sind die Daten aus Hawaii für die ganze Welt aussagekräftig? Das Treibhausgas sei in der Atmosphäre relativ durchmischt, sagt Knutti. «Die Daten sind repräsentativ, wenn man Monate bis Jahre anschaut.»
Kurzfristig kann die Konzentration lokal höher sein. Etwa bei starkem Verkehrsaufkommen oder Waldbränden. Doch CO2 wird heute an vielen Orten gemessen. Das Resultat ist eindeutig: «Von Barrow Alaska bis zum Südpol sieht das überall sehr ähnlich aus.»
Wärmepumpen statt Ölheizungen
Was tun? Die Ansätze, um den Klimawandel zu bekämpfen, sind altbekannt. «Die Vermeidung von CO2 muss dabei rund 90 Prozent der Lösung sein», sagt Knutti. Heisst: Wärmepumpen statt Ölheizungen, Elektromobilität oder ÖV statt Benzin und Diesel, weniger tierische Produkte, weniger Flugreisen. Auf vieles davon zielt das aktuelle CO2-Gesetz ab, über welches die Schweiz am Sonntag abstimmt.
Nicht überall lässt sich das Treibhausgas vermeiden. Schwierig wird das in Teilen der Landwirtschaft, Zement-Produktion oder bei Hochtemperaturprozessen in der Industrie. «Bei den nicht oder schwer vermeidbaren Emissionen braucht es sogenannte negative Emissionstechnologien oder CO2-neutrale Brenn- und Treibstoffe», so Knutti.
Dafür gibt es unterschiedliche Ansätze. Viel Aufmerksamkeit erhalten aktuell Aufforstung-Projekte. Knutti warnt: «Der Schutz von Wäldern und Ökosystemen und das Vermeiden der Abholzung ist wichtig, aber der Platz für Bäume ist begrenzt und diese wachsen langsam.» Damit sei Aufforsten keine Patentlösung.
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Alternativen sind technische Lösungen: Bekannt ist die Technologie von Climeworks, um CO2 aus der Umgebungsluft zu entfernen. «Das ist aber teuer und im Moment auch nur in kleinen Mengen verfügbar. Auch das wird es brauchen, aber nur für schwer vermeidbare Emissionen.»