«Unhaltbar»: Schützt die Schaffhauser Polizei Täter?
Eine Frau, die vergewaltigt und verprügelt wurde, wirft der Schaffhauser Polizei vor, bei der Untersuchung zu wenig genau hinzuschauen.
Das Wichtigste in Kürze
- In Schaffhausen wurde 2021 eine Frau mutmasslich vergewaltigt und später verprügelt.
- Sie wirft den Behörden vor, zu lasch gegen die mutmasslichen Täter vorzugehen.
- Ein Strafverteidiger bezeichnet deren Vorgehen als «kriminalistisch unhaltbar».
Fabienne W. ist zerrissen. Sie macht der Schaffhauser Polizei schwere Vorwürfe. Denn die Behörden gehen aus ihrer Sicht zu lasch mit mutmasslichen Vergewaltigern und Peinigern um.
Auch ein Strafverteidiger wirft den Behörden vor, «unprofessionell» und «kriminalistisch unhaltbar» gehandelt zu haben. Über den Fall berichtet SRF gestern in der Sendung «Rundschau».
Ende 2021 lädt ein Anwalt Fabienne W. zum Abendessen in seine Privatwohnung ein. Die Hobby-Musikerin geht davon aus, dass der Mann mehr über ihre Musik erfahren möchte. Doch dieser hat ganz etwas anderes im Sinn.
Anwalt will Fabienne nach Vergewaltigung einschüchtern
Denn Fabienne hat zuvor einen anderen Mann beschuldigt, sie vergewaltigt zu haben. Möglicherweise wurde sie mit Substanzen gefügig gemacht. Der Anwalt – ein Freund des mutmasslichen Täters, wie sich später herausstellt – will sie zum Schweigen bringen.
In der Wohnung sind neben dem Anwalt selbst noch drei Freunde von ihm anwesend. Doch Fabienne will trotz des Drucks Anzeige erstatten. Am späteren Abend prügeln die Männer sie deswegen in der Wohnung spitalreif – zur Einschüchterung, wie sie glaubt.
Am nächsten Morgen wird die Musikerin in der Schaffhauser Altstadt gefunden. Sie klagt auch über starke Schmerzen zwischen den Beinen. Die sofort alarmierte Polizei leitet umgehend Ermittlungen ein. Dank Überwachungskameras in der Wohnung des Anwalts soll das Geschehen rekonstruiert werden.
Strafverteidiger hält Vorgehen der Behörden für «kriminalistisch unhaltbar»
Bei der Beschaffung und Auswertung der Bilder geht die Polizei aber höchst fragwürdig vor. Beispielsweise filmen sie die Aufnahmen der Überwachungskamera vom Handy des Anwalts ab – ohne Ton und in schlechter Qualität.
Dies, weil der Beschuldigte behauptet, dass die Original-Aufnahmen auf einem Computer gespeichert seien, dessen Bildschirm kaputt sei. Bei der Auswertung von Mobiltelefonen stellt die Polizei nur jene Geräte sicher, die der Anwalt freiwillig herausgibt.
Die Aufnahmen der zweiten Überwachungskamera sicherten die Beamten bei einer zweiten Hausdurchsuchung auf einem USB-Stick. Absurd: Bei der Sicherung habe der Anwalt den Polizisten geholfen.
Der renommierte Strafverteidiger Konrad Jeker bezeichnet das Vorgehen der Behörden in der Sendung als «unglaublich», «unprofessionell» und «kriminalistisch unhaltbar».
Jeker weiter: «Das widerspricht kriminalistisch allen Standards, die bekannt sind.» Er wirft der Polizei vor, ihre Pflicht nicht erfüllt zu haben.
Fabiennes Schmerzen zwischen den Beinen gehen die Behörden nie nach. Sie vermutet, auch an diesem Abend gefügig gemacht worden zu sein. An vieles kann sie sich nicht mehr erinnern.
Der beschuldigte Anwalt und seine drei Kumpels bestreiten die Einschüchterungsversuche an der Frau gegenüber der Polizei. Ihre Version: W. habe randaliert, sie hätten die Frau beruhigen wollen. Gegenüber der «Rundschau» wollte sich der der mehrfach kontaktierte Anwalt nicht äussern.
Fabienne leidet auch zweieinhalb Jahre nach der Tat noch immer an den Folgen: Die Musikerin hat eine post-traumatische Belastungsstörung. Sie sei nicht nur von der Tat traumatisiert, sagt sie. «Sondern auch vom Vorgehen der Behörden, welche die Täter mit Samthandschuhen angefasst haben.»