Wird die Fäkalien-Schwemme für den Genfersee zum Problem?

Im Wallis fliesst wegen defekter Kläranlagen Abwasser die Rhone herunter. Die Fäkalien landen nun alle im Genfersee.

Mit den Wassermassen aus dem Wallis gelangen via Rhone ungeklärte Abwässer und bis zu 9000 Kubikmeter Schwemmholz in den Genfersee. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Wallis muss aktuell Abwasser ungeklärt die Rhone hinabfliessen lassen.
  • Fäkalien gelangen so in grossen Mengen in den Genfersee.
  • Die zusätzlichen Nährstoffe im Wasser könnten dort zu Problemen führen.

Die Unwetter haben im Wallis nicht nur Verkehrswege und Gebäude beschädigt, sondern auch sieben Kläranlagen ausser Gefecht gesetzt. Die ungeklärten Abwässer fliessen seither die Rhone runter.

Für einmal tun hier die Wassermassen etwas Gutes: Sie verdünnen die mit Fäkalien belasteten Abwässer und sorgen für einen schnellen Abfluss. Doch dann geht es in den Genfersee damit – und völlig harmlos ist das nicht.

Für Trinkwasser wohl kein Problem

Zunächst die gute Nachricht: Es handelt sich praktisch ausschliesslich um Haushaltabwässer und somit nicht um Industriechemikalien. Darin enthalten seien vor allem Fäkalien und Reste von Medikamenten oder Putzmitteln, betont Evelyne Verdon. Sie ist Kommunikationsverantwortliche bei der Dienststelle für Umwelt des Kantons Wallis.

Die überlaufene Kläranlage von Siders/Noës, aufgenommen am 30. Juni 2024. - © Staat Wallis

Kommt dazu: «Für die Trinkwasserversorgung sollten keine grösseren Probleme zu erwarten sein», so Verdon. Christos Bräunle, Kommunikationsleiter beim Fachverband für Wasser, Gas und Wärme (SVGW), erläutert, weshalb: «Zum einen wird das Seewasser für die Trinkwassergewinnung nicht an der Oberfläche entnommen, sondern in 30 bis 60 Metern Tiefe.»

Zum anderen werde Seewasser – im Gegensatz zum Grund- und Quellwasser – mehrstufig aufbereitet. Dadurch werden chemische sowie mikrobiologische Verunreinigungen eliminiert.

Algenblüten wegen zu vieler Nährstoffe

Weil Seewasser im Sommer eine Temperaturschichtung aufweist, dürften die mitgeschwemmten Substanzen vor allem nahe an der Oberfläche bleiben. Statt in der Kläranlage werden sie jetzt einfach im Gewässer abgebaut, erklärt Evelyne Verdon. Das kann kurzzeitig zu Sauerstoffmangel führen. Viel wichtiger aber: Die nun herausgelösten Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphat werden nicht entfernt.

Satellitenbild einer Algenblüte im Genfersee am 6. September 2021. - cipel.org

«Diese können zu einem verstärkten Algenwachstum führen», so Verdon. Solche Algenblüten können Giftstoffe produzieren und führen ebenfalls zu Sauerstoffmangel im Wasser. Sie können aber auch Auswirkungen auf die Trinkwassergewinnung haben, sagt Christos Bräunle: Verfahren müssen je nachdem angepasst werden und die Aufbereitung wird insgesamt aufwendiger.

Blaualgen können von Hunden beim Schwimmen verschluckt werden. - Depositphotos

Werden Seen mit Nährstoffen überdüngt, kann dies auch zu Veränderungen bei den vorkommenden Tier- und Pflanzenarten führen, ergänzt Verdon. «Das kann für manche seltene Arten ein Problem sein.»

Sorgen um grössere Teile und Häufigkeit

Die Fachleute nehmen die zwar gut verdünnten, aber dennoch grossen Mengen an ungeklärten Abwässern also nicht auf die leichte Schulter. Verschiedene andere Faktoren bereiten Sorgen. «Generell sind durch die Überschwemmungen feste Abfälle ins Wasser gekommen» – gemeint sind unter anderem zerstörte Infrastruktur oder Autos. Abfälle also, «die dort normalerweise nicht sein sollten», sagt Evelyne Verdon.

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Auch Öl oder Benzin könnte ins Gewässer gelangen, aktuell gebe es aber keine Hinweise auf konkrete Fälle grösseren Ausmasses. Mikroplastik sei schon länger ein Thema; hier eine Abschätzung zu machen, sei schwierig. Aber: «Das Problem verbessert sich natürlich durch den zusätzlichen Eintrag von diversem Material nicht.»

Christos Bräunle vom Fachverband gibt derweil zu bedenken, dass Kläranlagen nicht nur ungeklärte Abwässer abfliessen lassen, wenn sie kaputt sind. Sondern auch, wenn schlicht zu viel Wasser abfliesst. «Starkregenereignisse werden in Zukunft häufiger auftreten», so Bräunle. Und damit auch der zusätzliche Nährstoffeintrag häufiger stattfinden, mit den oben genannten Folgen.