Dieter Wedel: Was von dem Erfolgsregisseur bleibt

Mit seinen TV-Mehrteilern schrieb er Fernsehgeschichte: Dieter Wedel. Der Regisseur und Drehbuchautor ist im Alter von 82 Jahren gestorben. Ein Rückblick auf eine umstrittene Karriere.

Dieter Wedel starb am 13. Juli im Alter von 82 Jahren. - imago/Sven Simon

Wenn von Dr. Dieter Wedel die Rede war, kam meist auch das Attribut «gross» ins Spiel. Gross wie «Der grosse Bellheim», jenem vierteiligen Gassenfeger im ZDF, der 1993 den Regisseur schlagartig zur Berühmtheit machte. Seitdem sprach man stets vom «grossen Wedel».

Das war zumindest bis zum Januar 2018 so. Damals hatte die #MeToo-Debatte auch den «grossen Wedel» erfasst. Mehrere Schauspielerinnen warfen ihm sexuelle Übergriffe vor; er stritt alles ab. Am Mittwoch, am selben Tag, an dem darüber entschieden werden sollte, ob eine Anklage wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung zugelassen wird, bestätigte das Landgericht München I laut mehreren Medienberichten den Tod des Regisseurs. Er starb am 13. Juli in Hamburg mit 82 Jahren.

Ein beeindruckendes Lebenswerk

Wedel war unbestritten ein ambivalenter Typ, das zeigte sich bereits bei seinem Alter. Dieter Karl Cäsar Wedel, wie ihn seine Eltern - ein Frankfurter Lederfabrikant und eine Konzertpianistin - getauft haben, gab als Geburtsjahr stets 1942 an. Demnach wäre er 1946 als Vierjähriger in Bad Nauheim (Hessen) eingeschult worden. 2010 sagte Wedel, dass er sich 1968 drei Jahre älter gemacht habe, um seinen ersten Regieauftrag «Gedenktag» zu bekommen. Die Produzenten hätten niemals einem 26-Jährigen das Projekt über den Ostberliner Aufstand vom 17. Juni 1953 anvertraut.

Bereits 1965 hatte Wedel in einem von ihm verfassten Lebenslauf im Anhang zu seiner Doktorarbeit an der Philosophischen Fakultät der Freien Universität Berlin (Thema: «Das Frankfurter Schauspielhaus in den Jahren 1912 bis 1929») angegeben, dass er am 12. November 1939 in Frankfurt am Main geboren wurde.

Wegen seiner Promotion zum Dr. phil. wurde der einstige Musterschüler Dieter Wedel am Set respektvoll «der Doktor» genannt. Sein Lebenswerk ist und bleibt beeindruckend. Wedels TV-Mehrteiler erregten grosses Aufsehen: «Einmal im Leben - Geschichte eines Eigenheims» (1972), «Alle Jahre wieder - Die Familie Semmeling» (1976), verschiedene «Schwarz-Rot-Gold»-Filme, «Der grosse Bellheim» (1993), «Der Schattenmann» (1996), «Der König von St. Pauli» (1998), «Die Affäre Semmeling» (2002), «Papa und Mama» (2006), «Gier» (2010). Ausserdem arbeitete er als Theaterregisseur in Hamburg sowie bei den Bad Hersfelder Festspielen und initiierte die «Nibelungenfestspiele» in Worms.

Bei allen Lobeshymnen auf den Autor und TV-Regisseur wurden auch immer wieder Vorwürfe laut, Wedel habe sich bei US-Kollegen wie Francis Ford Coppola, Oliver Stone und Woody Allen bedient. Die «Süddeutsche Zeitung» fand Teile aus «Jenseits von Afrika» in Wedels Scheidungsdrama «Papa und Mama» wieder. Wedel fand das alles «übertrieben», was Harald Schmidt zur Persiflage «Hollywood klaut bei Wedel» animierte.

Ruf als Tyrann

So penibel «der Doktor» an seiner Karriere als brillanter Fernsehschaffender gearbeitet hat, so konsequent wurde er auch seinem Ruf als Tyrann am Set gerecht. Immer wieder beklagten Schauspieler und andere Mitarbeiter Wedels Launen und seinen schroffen Ton. Dabei nahm er auch auf grosse Namen keine Rücksicht. Der renommierte Wiener Schauspieler Paulus Manker sagte einmal, Wedel herrsche «wie ein nordkoreanischer Diktator.»

Auch mit Mario Adorf lag Wedel im Clinch: Der grosse Star hatte ihm beim «grossen Bellheim» und «Schattenmann» hohe Zuschauerquoten garantiert und mit ihm auch die «Nibelungenfestspiele» in Worms gegründet. Dabei kam es angeblich zum Zerwürfnis. Adorf soll sich über Wedels Bühnentechnik aufgeregt haben. Die «Süddeutsche Zeitung» beschreibt den legendären Streitdialog wie folgt. Adorf: «Hatten die Leute heute Abend nicht ein Anrecht auf korrektes Licht?» Und weiter, jetzt schon brüllend: «Scheiss doch auf das Fernsehen!» Wedel: «Weisst du was, Mario, leck mich am Arsch!» Daraufhin Adorf: «Weisst du, was du bist? Ein kleiner Fernseharsch! Nichts als ein kleiner Fernseharsch!»

Dieter Wedel und die Frauen

Ebenso markant war Wedels Verhältnis zum weiblichen Geschlecht. Er hatte sechs Kinder von sechs verschiedenen Frauen. Meist waren es junge Frauen vom Set, Schauspielerinnen, Assistentinnen, die Wedels berühmten gletscherblauen Augen nicht widerstehen konnten. Manchmal habe er «zwei, drei und manchmal auch vier Freundinnen gleichzeitig gehabt», schrieb er in seiner Autobiografie. «Liess mich eine fallen, waren immer noch genug da, um mich aufzufangen.»

Der Doktor liebte Frauen wie Hannelore Elsner, Theaterstar Sylvia Manias, Ingrid Steeger und Julia Stemberger. Jahrelang lebte Wedel gleichzeitig mit zwei Frauen: in Hamburg mit «Hauptfrau» Uschi Wolters, einer Lehrerin und Produzentin, auf Mallorca mit der Schauspielerin und Tänzerin Dominique Voland, mit der er auch einen Sohn hatte.

Schwere Vorwürfe

Mehrere Schauspielerinnen bezichtigten Wedel im Januar 2018 in der Titelgeschichte «Im Zwielicht» des «Zeit-Magazins» der sexuellen Belästigung und sogar der Vergewaltigung. Sofort war der Regisseur im Mittelpunkt einer öffentlichen Diskussion. Til Schweiger sagte etwa in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz: «Es wussten nicht alle in der Branche, dass er vergewaltigt haben soll. Man wusste aber, dass er ein Menschenquäler ist.»

Er stritt alles ab

Dieter Wedel stritt alle Vorwürfe, die überwiegend juristisch verjährt waren, kategorisch ab. In einem Statement erklärte er, «dass die offenbar von mehreren Schauspielerinnen gegen ihn erhobenen Vorwürfe unzutreffend und nicht gerechtfertigt sind». Er bedauerte darin aber auch, dass er Schauspielerinnen und Schauspieler «insbesondere am Set manchmal überharter, wohl auch verletzender Kritik ausgesetzt» habe.

Und er bekam Unterstützung vor seiner Ex-Geliebten Ingrid Steeger (72), die von 1988 bis 1992 mit ihm liiert war. Sie sprach von «Rufmord» und sagte in einem Interview mit «RTL Exklusiv»: «Ich verbitte mir das, dass man sagt, dass der Wedel ein Vergewaltiger war oder ist.» Auch sie habe als Schauspielerin in Hotelzimmern Vorsprechen bei ihm gehabt, «er hat trotzdem nichts mit mir gemacht... Der hat's gar nicht nötig gehabt. Der hätte die Schauspielerinnen nur so aufpflücken können». Sie habe sich «in seine Intelligenz und Bildung verliebt». Das sei der wahre Dr. Wedel.

Vor Gericht muss sich der Regisseur und Drehbuchautor nun nicht mehr verantworten. Nach Gerichtsangaben wird das Verfahren gegen ihn eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte den Regisseur im März vergangenen Jahres wegen eines Vorwurfs aus dem Jahr 1996 angeklagt. Die Schauspielerin Jany Tempel bezichtigte den Regisseur der Vergewaltigung. Ein Vorwurf, den Wedel bis zu seinem Tod am 13. Juli bestritten hat.