Feine Sahne Fischfilet kehren aus Unruhe-Pause zurück
Nach Jahren des Rausches hatte sich die Punkband Feine Sahne Fischfilet eine Ruhepause verordnet. Wirklich zur Ruhe sind die Musiker dabei nicht gekommen. Jetzt kommen sie mit neuem Album und Tour zurück.
Das Wichtigste in Kürze
- Der süssliche Geruch einer leeren Rostocker Kneipe zur Mittagszeit - er zeugt vom Rausch vergangener Nächte und verspricht die nächste Party.
Am Ende einer solchen Zwischenzeit steht auch die Punkband Feine Sahne Fischfilet. Ein guter Ort also, um sich mit Frontmann Jan «Monchi» Gorkow und Drummer Olaf Ney über das neue Album «Alles glänzt» und ihre längere Auszeit zu unterhalten. 2019 beendete die Band ihre letzte Tour. Das letzte Album haben sie 2018 veröffentlicht. Es hiess «Sturm & Dreck». Erst Dreck und nun glänzt also alles?
«Das ist natürlich eine Persiflage», sagt Frontmann Gorkow der Deutschen Presse-Agentur. Rechtsruck, Krieg in der Ukraine, Corona – «es glänzt nirgendwo, weder gesamtgesellschaftlich noch persönlich». Davon zeugen Zeilen wie: «Ich frage mich, was noch echt ist. Alles glänzt, dass mir schlecht wird.» Mit Blick auf den Klang können sie einen gewissen Glanz allerdings nicht abstreiten. Chöre, variable Gitarrensounds, bisweilen poppige Leichtigkeit («Tut mir leid») – die zwölf Songs wirken insgesamt aufwendiger produziert als frühere Werke der Band.
Präsentkorb für den Verfassungsschutz
«So lange haben wir noch nie Zeit im Studio und mit dem Produzenten verbracht», erklärt Drummer Ney. «Man konnte sich viel mehr Gedanken über so Kleinigkeiten machen und über den Sound.» Gorkow sagt: «Wir waren ja sonst immer nur unterwegs. Immer nur Rausch.»
Die von vorpommerschen Schulfreunden gegründete Band kommt auf dem aktuellen Album teilweise mit neuer Besetzung daher. Neben Gorkow und Ney sind weiterhin Max Bobzin (Trompete) und Kai Irrgang (Bass) dabei. Hinzugekommen ist Hauke Segert (Gitarre). Zuvor hatten zwei Musiker die Band verlassen.
Die Band war lange Zeit für ihr politisches Engagement bekannt. Sie bezieht Stellung gegen rechts, kritisierte in ihren Texten aber auch deutlich die Polizei. Mehrere Jahre tauchte die Band im Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern auf. Die Musiker bedankten sich damals mit einem Präsentkorb für die Werbung.
«Natürlich bin ich sexistisch geprägt. Gar keine Frage»
Zuletzt sorgten vor allem anonym im Internet geäusserte Vorwürfe gegen Gorkow für Aufmerksamkeit. Er wurde etwa der sexualisierten Gewalt beschuldigt. In einem langen Interview mit dem «Spiegel» von Ende März hatte Gorkow dazu gesagt: «Es gibt und gab keine Fälle der sexualisierten Gewalt, die von uns ausgingen.»
Der dpa sagte Gorkow: «Wenn was ist, mach ich es so, wie ich es immer in meinem Leben gemacht habe: Sach' was und dann mach' ich mich gerade. Aber uns wurde noch nicht gesagt, worum es geht.» Man habe versucht, Kontakt zu denjenigen herzustellen, von denen die Anschuldigungen ausgehen. Ney erklärt, die Band habe den entsprechenden Social-Media-Account lange stehen lassen, das nicht «wegklagen» wollen und ansprechbar sein wollen. Nachdem kein Austausch zustande gekommen sei und die Anschuldigungen von dem Account ständig wiederholt worden seien, sei man aber dagegen vorgegangen.
Das Landgericht Stralsund bestätigt, die entsprechenden Inhalte als Verleumdung und Beleidigung eingestuft zu haben. Damit konnte die Band die Sperrung der Inhalte auf der Plattform Instagram veranlassen. Gorkow erklärt: «Wenn sich jemand scheisse behandelt fühlt, dann sind wir ansprechbar. Aber wir lassen uns nicht mehr im Internet einfach die ganze Zeit mit Scheisse vollkippen.» Er habe sich selbst nie als «Feminismus-Experten» dargestellt. «Natürlich bin ich sexistisch geprägt. Gar keine Frage. Das ist mir auch klar.»
Natürlich könnten Menschen Situationen unterschiedlich wahrnehmen. Die Band beschäftige sich etwa in Workshops mit solchen Themen. Ney sagt, der Band sei noch nie einfach «alles scheissegal» gewesen. «Wir sprechen jeden Tag darüber – über Befindlichkeiten, über so viele Dinge.» Zurzeit so extrem wie noch nie. Umso mehr schmerzten die Anschuldigungen. «Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich bin da nur wütend. Ich bin einfach ganz, ganz doll enttäuscht und traurig.»
Vieles wird nur für den Applaus gemacht
Nach Aussage Gorkows geht es bei dem Albumtitel auch um die glänzende Selbstdarstellung im Internet. Alle seien auf einmal Klimaaktivisten, totale Feministen, natürlich gegen Nazis und nachhaltig. «Ich find' gesellschaftlichen Fortschritt bestimmt erstrebenswert, aber ich fühl's noch nicht. Ich habe eher das Gefühl, die Leute machen ganz viel für Applaus.» Um permanente Drohungen von rechts dreht sich der Song «Angst zu erfrieren». Gorkow gehe davon aus, dass er und die Band auch auf Todeslisten stünden. «Das macht natürlich was mit dir.» Der Songtext fragt: «Ist es das wert oder nicht?»
Das Lied «Wenn wir uns sehen» ist einem befreundeten Seenotretter gewidmet, der seit Jahren auf dem Mittelmeer Menschen vor dem Ertrinken rette und sich dafür vor Gericht verantworten müsse. Statt Lobeshymnen drehten sich die neuen Songs eher um den persönlichen Preis für solches Engagement. «Die Leute wollen die Welt retten, aber passen nicht auf sich selber auf. Das steht für uns. Das steht für ganz viele Leute in unserem Umfeld». Gorkow nennt das die «Zeckenkrankheit».
Sie sind erwachsener geworden
Im Lied «Irgendwann» gehe es um einen jungen Fan des Fussballvereins FC Hansa und der Band, der bei einer Pöbelei in einer Strassenbahn erstochen worden sei. Gorkow sei von dem Vater zur Beerdigung eingeladen worden. Neben der Urne hätten Hansa-Schal und Karten für das nächste Konzert gelegen. Ihre Musik sei gespielt worden. «Mit der Musik Leuten Kraft geben zu können, sich selber, aber auch anderen Menschen. Das ist irgendwie das Tollste.»
Ist die Band während ihrer Pause zahmer geworden? «Wir sind jetzt nicht auf einmal eine Mönchstrupp. Das steht uns auch nicht», sagt Gorkow. Aber sie reflektierten mehr. «Ich bin nicht 21 und will die ganze Zeit nur Parolen grölen. Wir sind nicht erwachsen, aber erwachsener geworden.» Drummer Ney sagt: «Ich kann nicht nach jeder Show mit allen Leuten immer saufen.» Es gehe um die Frage, «was tut mir eigentlich gut?» Auch darauf findet sich auf dem Album eine Antwort: Die Ostsee sei die beste Medizin, heisst es im Song «Komm mit aufs Boot», der auch der im Mai beginnenden Tour den Namen gibt.
«Alles glänzt» erscheint am 12. Mai auf dem bandeigenen Label Plattenweg Tonträger im Vertrieb von Warner Music.