Fehlendes Verbot für Minderjährigen-Ehen stösst auf Kritik
Kinder oder Jugendliche, die im Ausland verheiratet wurden, sollen sich hierzulande bis zum 25. Altersjahr wehren können. Ein generelles Verbot gibt es nicht.
Das Wichtigste in Kürze
- Im Ausland sind Eheschliessungen zwischen Kindern und Jugendlichen oftmals erlaubt.
- In der Schweiz sollen sich Betroffene bis zum 25. Lebensjahr dagegen wehren können.
- Ein generelles Verbot fehlt. Das sorgt für Kritik.
Kinder oder Jugendliche, die im Ausland verheiratet wurden, sollen sich in der Schweiz dagegen wehren können. Neu soll das nicht nur bis zum 18., sondern bis zum 25. Lebensjahr möglich sein.
Dieser Vorschlag des Bundesrats stösst grundsätzlich auf Zustimmung. Dass er aber kein generelles Verbot von Minderjährigen-Ehen vorsieht, wird als stossend empfunden.
Ungenügender Schutz bei Einzelfallprüfungen
Der Bundesrat hält in seinem Entwurf fest, dass Ehen mit Minderjährigen grundsätzlich für ungültig erklärt werden sollen. Allerdings sieht er vor, dass durch Einzelfallprüfungen Ausnahmen möglich sein sollen.
So soll eine Ehe mit Minderjährigen etwa dann gültig bleiben, wenn die Ehe «den überwiegenden Interessen» der minderjährigen Person entspreche. Auch wenn die betroffene Person sagt, dass sie diese Ehe wolle, soll die Minderjährigenehe anerkannt werden können.
Das stösst auf Kritik. Wenn solche Einzelfallprüfungen möglich seien, werde der Schutz der Kinder und Jugendlichen nicht wie gewünscht erhöht. Das finden etwa SVP, GLP, die SP und die Fachstelle Zwangsheirat.
Stattdessen werde die Beurteilung über die Gültigkeit der Ehe der minderjährigen Person überlassen, schreibt etwa die SP. Betroffene seien in einer solchen Situation aber oft familiärem und sozialem Druck ausgesetzt, womit die Interessensabwägung quasi leerlaufe.
Es könne auch vorkommen, dass zur Erreichung des «überwiegenden Interesses» bewusst eine Schwangerschaft benutzt werde, schreibt zudem die Fachstelle Zwangsheirat. Faktisch würden auch Ehen von Kindern, die mit zehn oder zwölf Jahren verheiratet worden seien, für gültig erklärt werden können.
Seit 2013 illegal in der Schweiz
Das sei ein Rückschritt gegenüber der geltenden Regelung. Die SVP verlangt sogar, dass die Ehe mit Minderjährigen als Zwangsehe definiert wird. Diese gilt als strafbar.
Etwas anders beurteilt Amnesty International die Situation. In Einzelfällen bestehe die Gefahr, dass die Betroffenen oder etwa gemeinsame Kinder nach der Annullierung rechtlich schlechter gestellt seien. Dies schreibt die Menschenrechtsorganisation auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Aus diesem Grund müsse eine Interessenabwägung auch weiterhin möglich sein.
In der Schweiz ist die Eheschliessung für minderjährige Personen seit 2013 illegal. Es kommt aber vor, dass Kinder im Ausland verheiratet wurden und noch minderjährig, aber bereits verheiratet in die Schweiz kommen. Oder sie werden verheiratet, wenn sie in den Sommerferien in ihr Herkunftsland zurückkehren. Zudem ist in einigen Ländern die Heirat bereits ab 16 Jahren möglich.
Die Fachstelle Zwangsarbeit hat gemäss eigenen Angaben im Jahr 2016 insgesamt 112 betroffene Minderjährige beraten. Im Jahr 2020 waren es bereits deren 133. Wird eine solche Ehe aufgedeckt, müssen die Behörden gegen diese von Amtes wegen Klage einreichen.
Auch die Betroffenen können dies tun. Sobald diese aber 18 Jahre alt sind, gilt ihre Ehe heute automatisch als «geheilt», also als rechtlich gültig.
Nicht stark genug zum Lösen
Weil Betroffene aber oft mehr Zeit bräuchten, will der Bundesrat das Alter auf 25 Jahre anheben. Bis zu diesem Altersjahr wäre die Minderjährigkeit ein Ungültigkeitsgrund, danach erfolgte ebenfalls eine automatische Anerkennung der Ehe.
Dieser Vorschlag findet grundsätzlich Zustimmung. Die Mitte findet es richtig, dass sich das Zeitfenster für eine Klage einmal schliesst. Ansonsten wüssten die Eheleute nie, ob ihre Ehe irgendwann annulliert werde.
SP und GLP kritisieren aber, dass junge Erwachsene vielleicht noch nicht genug stark seien, sich aus einer Minderjährigen-Ehe zu lösen. Sie wollen gar keine respektive eine noch längere Frist.
Diesbezüglich meldeten sich auch die zuständigen Behörden zu Wort. Die Konferenz der Kantonalen Aufsichtsbehörden im Zivilstandsdienst (KAZ) weist daraufhin, dass dadurch der Aufwand für die Behörden unverhältnismässig steigen würde. Während das gewünschte Ziel kaum besser erreicht werden könne.
Strafbare Verletzung des Primats
Aus ihrer Sicht ist die Revision zudem am falschen Ort angesetzt. Bedeutend effizienter geschützt vor einer verfrühten Heirat würden Minderjährige über eine Revision des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht.
Als flankierende Massnahme müsse die Verletzung des Primats der Ziviltrauung wieder unter Strafe gestellt werden. Dabei geht es darum, dass vor einer religiösen Hochzeit eine zivile Trauung erfolgen muss. Die Fachstelle Zwangsheirat unterstützt diese Idee.